Tag 31 der Ausgangssperre

🇫🇷🇩🇪Ich weiß nicht, ob es euch genauso geht. Aber manchmal komme ich mir vor als wäre ich im falschen Film. Es ist mir als müsse mich jemand wachrütteln und alles wäre gut. Aber leider ist es nicht so, wir sind im realen Film, Corona hat uns voll im Griff. Als ich gestern die Nachrichten aus Deutschland gesehen habe, konnte ich einige Entscheidungen nicht verstehen. Die schrittweise Lockerung des deutschen, ohnehin schon lockeren Ausgehverbots erschließt sich mir nicht. Aber vielleicht fehlt mir dort auch der Durchblick, und vielleicht auf der Weitblick. Es ist schwierig solche Entscheidungen treffen zu müssen, ich würde diese Verantwortung nicht gerne tragen wollen. 

Aber da gibt es etwas, was mir fast mehr Sorgen macht, als der Virus selbst. Es ist die Tatsache, dass anscheinend in vielen Köpfen die alten Vorteile, die alten Ressentiments, die unsere beiden Staaten in viele unheilvolle Konflikte geführt haben, wieder aufkommen. Viele Franzosen, besonders die Lothringer Grenzgänger, die hier tagtäglich mit den vielen Widrigkeiten der Grenzschließung zu tun haben, fühlen sich von Deutschland herabgewürdigt und gedemütigt. Selbst wenn die von deutschen Polizisten wegen eines Tankstops verhängte Strafe von 500€ gegen einen Grenzgänger wahrscheinlich zurückgenommen wird (so passiert in der Nähe von Freiburg), sorgt das für Empörung. Die Kommentare dazu im Netz will man erst gar nicht erst lesen. 

Gestern Abend habe ich mich über unsere Hinterhöfe hinweg mit Julie, Mme Destin und Eric unterhalten. Wir sprechen normalerweise wenig und nur selten über Politik. Aber natürlich war der Artikel aus der Zeitung l‘Alsace über den Supermarkt, der mit der quasi ‚franzosenfreien‘ Zone wirbt, Thema. Für die meisten Leute hier im Quartier gehört die Fahrt nach Saarbrücken zum Einkauf zum Alltag, die Grenze war lange nicht mehr existent, Deutsche wie wir gehören dazu. 

Und dann kamen wir zu den deutschen Maßnahmen. Julie rief zu Mme Destin herüber: Sophie, Nadine hat gerade gesagt, dass die Deutschen das Confinement lockern. Geschäfte bis 800qm öffnen wieder. Hast du‘s schon gehört? Mme Destin freute sich sichtlich, sah mich an und fragte: Dürfen wir auch wieder kommen? Wie lange sind Grenze noch zu? Ich antwortete: Nein, leider nicht. Die Grenzen sind noch bis mindestens Anfang Mai zu. Sie wurde ernst. Ok, sagte sie ganz enttäuscht und betrippst fügte sie hinzu: Euch lassen sie ja auch nur zum Arbeiten rüber. Sehr seltsam, euer Land. Sie schüttelte den Kopf, drehte sich um und ging zurück ins Haus.

Ich wünsche uns allen, dass sich das Virus nicht noch in den Köpfen festsetzt- so hat es eine liebe Mitleserin formuliert. Dafür tragen wir die Verantwortung, auf beiden Seiten der Grenze. Unser kleiner Grenzverkehr kann nur funktionieren, wenn man sich Respekt zollt. Ausreißer nach unten gibt es hüben wie drüben. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie das Bild bestimmen und die europäische Idee in den Köpfen von uns einfachen Leute zerstören. Wir tragen den Kern der europäischen Idee, ohne uns ist alles nichts.

Bleibt gesund in Deutschland und in Frankreich- oder wo immer ihr gerade seid.

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