Wenn mir jemand vor 2008 erzählt hätte, dass ich irgendwann mal in Frankreich leben würde, ich hätte ihn für verrückt erklärt. Meine Erfahrungen mit Frankreich sahen bis dahin so aus: Frankreichurlaub mit Zelt am Atlantik oder in der Provence, Französischunterricht in der Schule, vier Jahre lang die gleiche Lehrerin- sie war leider nicht die Richtige für mich. Das Aufregendste in den vier Jahren FranzösischUnterricht war der Schüleraustausch nach Diemeringen. Also quasi ins Departement 67- nur kurz über die Grenze- für mich damals tiefstes Frankreich. Das Mädchen zu dem ich kam- ich hab leider ihren Namen vergessen- wohnte mit seinen Eltern und der Oma auf einem Bauernhof mitten in einem Dorf nah bei Diemeringen. Es war schon fast Abend, als wir am ersten Tag dort ankamen. Der Fernseher lief und zu meiner Verwunderung – ich war 13 – lief auf dem Fernseher die Tagesschau. Nein, keine französische Nachrichtensendung, sondern die deutsche Tagesschau. Ich war völlig irritiert und dachte „Ist hier jemand deutsch?“ Den Dialekt, das Francique, verstand ich nicht so gut. Aber ich war mir sicher – es war unserem Saarpfälzisch ähnlich. Keiner sprach Französisch. Was ich immer noch in meinem Ohr höre ist der Sound von Jean Jaques Goldmann, den meine Austauschschülerin die ganze Zeit über hörte. Es war ganz andere Musik, als die der Toten Hosen, der Ärzte oder Lindenberg, die ich so sehr mochte- Ende der 80er. In der Austauschschule hingegen, dem College von Diemeringen, ging es nur französisch zu. Kein Dialekt. Die Lehrerin teilte uns ein Blätter aus. Ich hab kein Wort verstanden, geschweige denn konnte ich die Arbeitsblätter bearbeiten. Das war sehr frustrierend. Und es hat meine Einstellung zum Fach Französisch geprägt- es wurde zu meinem ungeliebtesten Fach meiner Schulzeit. Obwohl ich aus einem Dorf komme, dass nur einen gefühlten Katzensprung von der französischen Grenze entfernt war, beschränkten sich die Berührungspunkte mit Franzosen auf das Firmenfest von Michelin, der französischen Firma, bei der mein Vater lange gearbeitet hat. Im Alltag jedoch waren Franzosen Exoten, von denen mein Vater manchmal erzählte. Das war ganz weit weg und dann gestern wieder nah.
Nie hätte ich gedacht, dass mich diese Zeit im Jahr 2020 wieder einholt, während ich im Confinement in Frankreich bin. Gestern war es ruhig am Zaun. Erik schraubt an seinen Autos rum, die Nachbars Kinder fuhren Rad in ihrem Hof, Madame Destin lag schlafend in der Sonne , Madame Maurer suchte mal wieder den Schlüssel zu ihrem Grundstück und Julie sortiert the im Garten die Legos der Kinder. Als sie mich auf der Treppe sieht, kommt sie rüber um ein bisschen zu quasseln. Sie beschwert sich, dass die Kinder lieber PlaystationUnterhaltung suchten als Lego. Als wir dann bei den guten alten Zeiten ankamen, fiel mir plötzlich ein, dass ich auch ganz gerne mal spiele. Wie wenn sie meine Gedanken hätte lesen können, fing Julie an, von ihrem ersten Computer, einem Commodore C 64 zu reden. Ich selbst besaß zwar keinen C64, aber die Spielkonsole Atari 2600 mit zwei Joysticks. 🙂 Tennis, PacMan und wie sie alle hießen, das war klasse. Wir hatten also auf deutscher als auch auf französischer Seite in den achtziger Jahren eine sehr ähnliche Kindheit. Für mich eine erstaunliche lustige Erfahrung.
Gemeinsamkeiten werden wir auch nach Ende des Confinements haben. Wahrscheinlich haben alle Männer hier in Frankreich hinterher lange Haare, weil keiner zum Friseur kann. Sascha kämpft schon mit einer wilden Mähne und auch Erik, Raphael , Monsieur Jean und die Anderen in der Straße tragen weitaus üppigere Haarpracht als sonst. Jedes Mal wenn ich die sehe, denke ich, selbst wenn die Grenzen offen sind dürfen unsere Männer wahrscheinlich nicht rüber. Die Deutschen haben dann sicherlich Angst vor dieser wilden Horde Franzosen. 🙂
Also nehmt euch in Acht und bleibt gesund! Reste en bonne santé! 🇫🇷🇩🇪