Tag 40 der Ausgangssperre

So viel Wert Franzosen auf Essen, Einrichtung, Klamotten und Geselligkeit legen, so ungewöhnlich ist ihr Verhältnis auch zum Auto. Beim Auto ist es so: jede Menge PS , klein und frech muss es sein und möglichst ein ganzes Leben lang halten. Ganz ehrlich, in der Beziehung passen wir wirklich gut hierher. Unsere Autos müssen uns von A nach B bringen, die Hunde befördern können und ansonsten einfach ruhig vor der Tür stehen. Wir haben das Glück, dass in unserer Straße das Prinzip der Gegenseitigkeit herrscht und deshalb unsere Autos immer wieder den Weg in die Garage unseres Nachbarn finden. Raphael ist ein wirklich guter Automechaniker und wenn er umgekehrt was zu basteln hat, dann hilft ihm Sascha.

Bei einem unserer Nachbarn bekommt der Begriff „Autoschieber“ wieder seine ursprüngliche Bedeutung. Er schiebt tatsächlich jeden Morgen und das seit etwa vier Monaten- sein Auto an. Nicht, dass jemand das Auto anschiebt und einer sitzt drin- nein, er ist von der flinken Sorte: Monsieur Martelle schiebt den leeren Peugeot 407 bei geöffneter Fahrertür durch unsere Straße bis zum kleinen Platz, an dem die abschüssigste Straße des Quartiers beginnt. Ist das Auto dann im Rollen springt er durch die geöffnete Fahrertür in das silberne Auto , lässt den zweiten Gang kommen und siehe da- das Auto springt an. Noch eine Runde um den Block und er fährt zu Arbeit. Wie oft hat ihm Raphael (er wohnt direkt neben ihm) schon Hilfe angeboten- er möchte keine. Manchmal ist jemand auf der Straße und sieht, dass er alleine das Auto schiebt. Klar hilft man dann. So wird die Anschieberei manchmal zur morgendlichen Gruppenveranstaltung, die Bragi und Klara von unserem Balkon aus verwundert beobachten.

Ich hatte mal mit 19 eine lustige Begegnung auf dem Autobahn Rastplatz in Waldmohr. Damals war eine Freundin mit mir unterwegs und wir haben einen VW Bulli, der eigentlich ein „Eismännchen“ war, angeschoben. Ich saß damals im Bulli- der der Eisverkäufer und meine Freundin schoben an, ich ließ jetzt den zweiten Gang kommen und dann sprang dieser Bulli auch wieder an. Die Belohnung war ein gigantisches Vanilleeis. Ich muss immer daran denken, wenn ich Monsieur Martelle und sein Auto sehe.

In unserer Straße ist jeder total Auto verrückt. Es gibt bis auf uns niemanden, der nicht mindestens drei Autos besitzt. Also KFZ-Steuer gibt es in Frankreich nicht und die Versicherung ist auch relativ günstig, außerdem braucht gefühlt jeder Franzose einen Lieferwagen. Wir haben uns da angepasst mit unserem alten Berlingo und unserem kleinen Ka. Der Berlingo stammt aus Deutschland, aber der Ka war schon immer ein kleines aggressives französisches Auto mit Vollausstattung von 2004. Sascha muss sich immer hineinfalten. Er wurde vorher von einer 83-jährigen Französin gefahren, die nach dem letzten Unfall beschlossen hatte, dass nun endlich Schluss sein müsste mit der Autofahrerei. Beim Verkauf war es ihr besonders wichtig zu sagen, dass der Ka sehr gut rennt.90 PS, von einer Französin eingefahren, der geht ab wie Schmidts Katz. Wirklich begehrt ist aber unser Berlingo. Zwei Straßen weiter wohnt ein Nachbar, der mir schon bestimmt fünf mal angeboten hat das Auto zu kaufen. Aber wir geben unseren Berlingo nicht her beziehungsweise nicht freiwillig. Vor ein paar Wochen begab es sich, dass zwei zwielichtige Gestalten den Berlingo stehlen wollten. Wir konnten das nach lauter Bellerei von Bragi verhindern. Als wir das unseren Nachbarn erzählten, kam heraus, dass die zwei Autodiebe zuvor bei Monsieur Martelle am Werk waren- aber das Anschieben war ihnen wohl zu viel.

Passt gut auf euch auf! Genießt den schönen Sonntag und bleibt gesund!

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