Wenn der Wind vom Saartal herauf weht, dann kann man ihn auf dem Blauberg am intensivsten wahrnehmen. Manchmal trägt er den Geruch der großen Reifenfabrik herauf zu uns, manchmal transportiert er- mitten in der Ausgangssperre Geräusche nach oben. Die einfahrende Saarbahn mitten in der Nacht, klappern in der Ferne, quietschen der Bremsen, ankommen, verbinden. Die Sache mit dem Verbinden ist in diesen Zeiten nicht so einfach. Die Saarbahn höre ich seit ein paar Wochen nicht mehr. Die Verbindung, die für mehr als nur eine Bahnlinie steht, die Verbindung, die für die Enge der Region Moselle an das Saarland steht, ist gekappt. Züge passieren Saargemünd nur noch in Richtung Metz oder Direction Strasbourg. Gleis 1 bleibt verwaist und keiner weiß, wann das Symbol der Verbundenheit wieder fahren kann. Für viele Menschen wirft das hier bei uns enorme Probleme auf, denn die Saarbahn wird normalerweise rege genutzt- auch von uns. Ein Termin in Saarbrücken steht an oder einfach nur ein Bummel in der Stadt- die Saarbahn ist ein tolles Verkehrsmittel. Seit ihrer Einführung bietet sie nicht nur Gelegenheitsnutzern wie Sascha und mir die Möglichkeit ohne Parkstress zwischen den Saarmetropole und unserer Perle hin und her zufahren. Schüler nutzen die Saarbahn zum Schulbesuch in den umliegenden deutsch-französischen Schulen, Arbeitnehmer kennen die Vorzüge des Saarbahnverkehrs, Touristen genießen die Fahrt durch den Saar- und Bliesgau bis sie in Sarreguemines ankommen. Die Saarbahn ist also mehr als nur ein Zug, der zugegebenermaßen manchmal etwas verspätet, die Regionen GrandEst und das Saarland zusammenbringt. Die Saarbahn kann mit noch einer Besonderheit aufwarten: Sie wird aus der Saarbahn auf unserer GrenzSeite zur französischen „Tram“. Steigt man in Saargemünd aus dem Zug, dann sieht man die Leute, wie sie die Billetts für die Tram ziehen wollen.
Und jetzt? Stillstand mal wieder.. wie im letzten Jahr. Ressentiments kommen wieder hoch. Proteste werden in der saarländischen Öffentlichkeit auf die Testfrequenz reduziert- andere Themen der Kundgebungen nicht wahrgenommen,doppelte Steuerlast beim Kurzarbeitergeld oder die Belastung der Familien beim Grenzübertritt sind kaum ein Thema. Schade, denn sonst hätten die deutschen Zeitungsleser und Nachrichtenseher vielleicht mehr Verständnis für ihre französischen Nachbarn- und das sind wir Nachbarn. Da mag der eine den anderen nicht immer leiden, aber im Grunde genommen sitzen alle im selben Boot, wenn es um die Stimmung in unserer aller Heimatregion geht. Bei uns hier oben auf dem Berg ist sie trotz allem gut. Sie ist nicht für alle rosig.
Aber was wir uns bewahrt haben, das ist die positive Einstellung. Die Tatsache, dass man Covid überleben kann, das Bewusstsein, dass man sich glücklich schätzen kann, von lieben Menschen umgeben zu sein, das gegenseitige Aufmuntern, wenn es mal nicht so läuft und die für uns spürbare französische Solidarität- das macht das Leben trotz allem lebenswert. Nicht zu vergessen, wir leben hier in einem der schönsten Länder der Welt und dürfen teilhaben an dieser Gesellschaft, die uns dazu bewegte Wahl-Franzosen zu werden. Sie hilft uns den Kopf hoch zu halten. Wenn er auch manchmal schwer zu tragen ist, die Menschen hier auf dem Blauberg sind unser liebstes Frankreich- der Beweis, dass Europa gelebt werden kann….. In einer halben Stunde, um 19 Uhr, ist es wieder soweit: Couvre-feu, Sperrstunde- Sascha muss sich mit dem Kärcher sputen. Und dann um 20 Uhr sitzt ganz Frankreich wieder vor dem TV und wartet sorgenvoll auf die Rede unseres Präsidenten Macron. Wir rechnen mit einem harten Confinement. On croise les doigts- wir hoffen, dass es nicht so kommt… Mal sehen. Bleibt gesund da draußen- ob Grenzgänger, Deutscher oder Franzose….