Mitten im Confinement

Mitten im Confinemt… www.zaungeschichten.com

Heute gibt es bei Beckers was zu feiern. Schon um 5.30 Uhr stand mein Mann mit Rosen vor mir. Er vergisst ihn nie- unseren Hochzeitstag. Die Blumen sind seine Tradition. Es ist nicht so, dass ich sonst keine bekäme, aber – ihr wisst das sicher selbst- an solchen Tagen und gerade während einer so ungewöhnlichen Zeit, sind sie Balsam für die Seele. Ich denke an unsere Hochzeit zurück und ich muss lachen. Gerade gestern Abend hat meine englische Nachbarin Melody dazu noch gemeint: You are a nut 🙂 Du bist verrückt. Bei der Hunderunde im Oktober vor vielen Jahren entschieden zu heiraten, dann auf dem Standesamt angerufen und wann war noch ein Termin frei? 14 Tage später- am 11.11. – fuhren wir nach Saarburg, die Ringe mussten noch schnell abgeholt werden und dann, ein paar Stunden später, waren wir Herr und Frau Becker. So schnell ging es 🙂

Zurück auf den Blauberg- es ist heute ungewöhnlich still hier auf dem Berg. Auf der Hunderunde kommt mir niemand entgegen, obwohl ich für meine Verhältnisse doch recht spät dran bin- Bragi, Klara und ich haben uns schon daran gewöhnt, dass die Runden seit dem Confinement etwas kürzer sind, aber so ganz ohne Begegnung mit anderen… komisches Gefühl. Der Himmel scheint mir fast auf den Kopf zu fallen, so schwer hängen die tiefen Wolken daran. Als ich durch den Stadtpark spaziere, wird die Eselin – ich nenne sie mal Lola- und Bert das Lama gerade gefüttert. Hansi, der Widder, schaut uns schon von weitem missgünstig an und hat Angst, dass ihm Bragi das Futter stiehlt. Aber der steht nur auf die hübschen Schafsmädchen, die auf den Wiesen des Stadtparks als ökologische Rasenmäher dienen und auf dem Weihnachtsmarkt hinter Lola die zweitwichtigste Nebenrolle beim Krippenspiel besetzen. Und genau bei diesem Gedanken denke ich an die vielen abgesagten Weihnachtsmärkte und wie es auch da still sein wird in unseren Städten. Der Tierpfleger holt mich mit einem höchst freundlichen „Bonjour, Madame!“ aus den Gedanken. „Bonjour Monsieur! Heute ist wirklich kein schönes Wetter- macht das der Eselin etwas aus?“ „Ach Madame, pas de soucis! Keine Sorge, der macht das nichts aus. Die hat ein dickes Fell – genau wie ich!“ Er lacht und säubert mit seiner Mistgabel weiter das Eselgehege „Ei dann ist es gut- ich mach mich mal auf den Heimweg! Bonne journée! Einen schönen Tag noch!“ Er schaut auf, lächelt „Ihnen auch einen schönen Feiertag!“

Und da fällt es mir wieder ein- der 11.11. ist in Frankreich ein Feiertag. Armistice- der Tag des Waffenstillstands – das Ende des ersten Weltkrieges. Hier hat diese Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts noch einen anderen Namen „La Grande Guerre“- der große Krieg. Die Erinnerung an ihn wird hochgehalten- immerhin hatte fast jede Familie Gefallene zu betrauern. Als ich den Berg hinauflaufe, muss ich am alten, verlassenen Hospital vorbei. Bevor ich hierher gezogen war, wusste ich nicht, dass Alfred Döblin (Autor von „Berlin Alexanderplatz“) hier Militärarzt gewesen war. Genau hier hatte er in den Wirren des Krieges praktiziert- und es hat ihm gar nicht gefallen. Er vermisste die Großstadt- mit dem Charme einer Kleinstadt des damaligen Reichslandes Elsaß-Lothringen und der ländlich geprägten Umgebung konnte er nichts anfangen. Schlimme Zeiten damals 14/18— ein schreckliches Kapitel in der wechselleidenden Geschichte dieser Region. Und heute? Militärparaden und Gedenkveranstaltungen übers ganze Land- auch in Sarreguemines vor dem Gericht- natürlich ohne Zuschauer. Die Erinnerung an diesen Krieg ist wach und manchmal auch ambivalent für mich. Auf der einen Seite die Erinnerung an ein Ereignis, bei dem die Deutschen so viel Leid über meine Region gebracht haben- und der Appell an alle Generationen, dass das nicht mehr passieren darf. Auf der anderen Seite das Erinnern an alte Wunden, an alte Ressentiments, die sich während der Grenzschließung im Frühjahr als schrecklich existent erwiesen. Alles nicht so einfach. Vergessen darf man nie- die Form der Erinnerung in Frankreich unterscheidet sich vehement von der in Deutschland, wo man diesen Tag in der Schule nur am äußersten Rande behandelt- wenn überhaupt.

„Meine Adresse ist : Saargemünd“- so schrieb es Alexander Döblin in einem seiner Briefe an Herwart Walden am 3.1.15. Ich schreibe heute: „Meine Adresse ist: Sarreguemines“- am Jahrestag eines der schönsten Ereignisse meines Lebens- in sorgenvollen Zeiten von Covid19 und Corona-Confinement- aber im Gegensatz zu Döblin 1915 in einer Zeit von Frieden und Freiheit.

Ich schicke euch die liebsten Grüße vom Blauberg und wünsche uns allen, dass wir keine Kriegszeiten hier im Herzen Europas mehr erleben müssen. Allen Corona-Infizierten auf beiden Seiten der Grenze eine gute Besserung und allen anderen hüben wie drüben: Bleibt gesund!

Jour +6 des Confinements

Babylonisch auf dem Blauberg

Das Confinement hat seine nächste Phase erreicht. Noch am Wochenende habe ich über die  rebellierenden Bürgermeister geschrieben- jetzt hat Castex reagiert und hat den großen Einkaufszentren verboten Waren, die nicht in den Bereich des täglichen Bedarfs fallen zu verkaufen. Spielzeugregale findet man seitdem abgehängt und Bücherregale kauern unter großen Planen bei Coa und wie sie sonst noch alle heißen. Anstatt also die kleinen Geschäfte wieder öffnen zu lassen, ist nun jeder Vor-ort-Verkauf nicht notwendiger Güter eingestellt. Man mag über die Sinnhaftig- oder Sinnlosigkeit streiten- in die Arme der Versandgiganten treibt es die Kundschaft allemal. Dem entgegen steht die Initiative „Click-et-Collect“ der Sarregueminner Einzelhändler. Ganz einfach auf den FacebookSeiten oder den Homepages der Geschäfte unkompliziert Bestellungen aufgeben und so trudeln auch die nicht so ganz notwendigen Dinge ins Haus. 

So wie sich die Einkaufswege online kreuzen, so kreuzen sich auf dem Blauberg hier bei uns immer wieder die sprachlichen Wege in Realität. Natürlich immer in gebührendem Abstand- aus dem Fenster heraus, bei der Hunderunde über die Straße hinüber, per WhatsApp von Haus zu Haus oder Telefon – ja, das soll es auch noch geben- den guten alten Anruf. Melody brauchte Hilfe beim Zahnarztbesuch. Sie sollte eine Weisheitszahnbehandlung bekommen. „Hi Love! Hast du morgen früh Zeit? Ich brauche jemanden, der mich zum Zahnarzt bringt!“ Zu ihren unsäglichen Zahnschmerzen kam die Angst von einem Gendarm kontrolliert zu werden und dann nicht die richtigen Worte zu finden. An die Attestation haben wir uns schon wieder gewöhnt und fast alle hier oben nutzen die Handy-Version- sehr praktisch und spart Zeit und Papier. Die neue Version speichert die Formulareingabe für’s nächste Mal ab und so müssen wir beim nächsten Ausgang nur noch die Uhrzeit eingeben. Die Bescheinigung wird dann kreiert und es kann losgehen, auf unseren Kilometer, für eine Stunde oder zum Einkauf oder wenn man jemanden zu einem Arztbesuch begleiten muss. Ganz wie ich heute. Den Abschluss fand unsere Arztfahrt in Erics Apotheke- und dort fand sich doch tatsächlich ein junges Mädchen, etwas schüchtern, aber auf Zack, das mit Melodie Englisch sprechen konnte. Es kann sehr interessant werden, wenn eine Engländerin mit einer deutschen in eine französische Apotheke geht und dort – für französische Verhältnisse- unverhofft auf eine junge französische PTA trifft, die englisch besser als deutsch spricht. Letztendlich war es für Mel eine Erleichterung und als wir wieder im Auto saßen, schaute sie mich ganz erstaunt an und sagte: „Hast du das gehört? Ich geb dich Hoffnung nicht auf, dass Englisch mal zur Standard-Zweitsprache hier wird!“ Klar hab ich mich für die gefreut, aber ein bisschen nachdenklich hat mich das dann schon gemacht. Immerhin ist das Deutsch hier in der Region von bei weitem größerer Bedeutung. 

Das hab ich im Übrigen gemerkt, als ich wieder zuhause war. Kaum hatte ich die Tür aufgesperrt und auf mein Handy gesehen, da hatte mir die liebe Bernadette eine Nachricht von größter Dringlichkeit, Urgence geschrieben. Kein medizinischer Notfall, sondern ein besonders dringender Fall von Sprachenwirrwarr und NachbarschaftsÜbersetzungsnotwendigkeit. Da war es wieder, das Gefühl, dass hier in unserem kleinen Universum jeder seinen Platz hat und die gegenseitige Hilfe großgeschrieben wird. Und wenn wir Melodys Idee des „Cookie-Exchange“ umsetzen, dann kann uns nix mehr passieren. Schokoladencookies sind gut für die Nerven, und die brauchen wir alle hier oben, dort unten und bei euch da drüben. Bleibt gesund!

Gestern habe ich von CoronaInfektionen in meiner alten Heimat erfahren- auf diesem Weg schicke ich natürlich die besten Wünsche über die Grenze! Passt auf euch auf! 

Jour +2 Reconfinement

Revolte! Das meine lieben Franzosen fast immer dafür sind dagegen zu sein ist allgemein bekannt. Hier wird das trotz des Confinements an den Gelbwesten deutlich, die gestern noch am Kreisel Richtung Roth-Hambach tapfer ausharrten und ihre Fahnen im Wind wehen ließen. Die Ordnungshüter werden das wohl noch am Wochenende tolerieren- genauso wie sie die Heimreisenden nach den Allerheiligen-Ferien noch durchs Land fahren lassen, obwohl wir eigentlich unser Heimatdepartement nicht verlassen dürfen. Nur in Ausnahmefällen- wie zur Fahrt zur Arbeit dürfen Sascha und ich genauso wie die anderen DepartementsEinwohner- das Departement Moselle57 nicht verlassen. Ab Morgen wird sich hier nach den „Anlauftagen des Confinements“ nocheinmal einiges verändern.Die Kinder müssen alle in der Schule Masken tragen. Nur den unter Dreijährigen bleibt diese Pflicht erspart. Die „Creche“ bleibt für die Kinder weitgehend maskenfrei- nur die Erzieher sind verpflichtet die Masken aufzusetzen. Der kleine Theo von nebenan muss sich mit seinen 4-Jahren also auch maskieren, sieht das Ganze aber sportlich und eher als Spiel. Derweil regt sich bei seinem älteren Bruder der leise Ansatz des Widerstandes. Allerdings nicht wegen der Maske sondern wegen des Schulanfangs. Blöde Hausaufgaben, die er bis zum letzten Tag aufgeschoben hatte, müssen noch erledigt- der Ranzen gepackt und die Bücher und Hefte kontrolliert werden. Und dabei werden Worte über Worte gemacht- ihr könnt es euch denken. Also an dieser Elternmisere am Ende der Ferien ändert Corona wohl nichts.Die Aufmüpfigkeit mancher unserer „Compatriotes“ zeigt sich auch an einer besonderen Entscheidung des Maire (Bürgermeisters) von Longwy im Nachbardepartement, der 54 „Meurte-et-Moselle“. Entgegen der Entscheidung von Macron alle „nicht dem lebensnotwendigen Bedarf dienenden“ Geschäfte zu schließen, erlaubt der Maire von Longwy gerade diesen kleinen Geschäften in seiner Gemeinde trotz des Macron-Erlasses wieder zu öffnen. Mal sehen, ob sich das der Prefet des Departements so gefallen lässt. Ob der Erlass also so durchgesetzt werden kann, bleibt abzuwarten. Andere Bürgermeister (in Frankreich sind die Maires sehr mächtig) haben bereits ihre Unterstützung angekündigt. Es wird also eine interessante Woche. Die Stadt Sarreguemines gab gerade bekannt den Kleinunternehmern neben den Garantien des Staates für Miete und vielem mehr unter die Arme greifen zu wollen.Bis dahin verläuft die Umstellung von „normalen“ Öffnungen der Geschäften, hin zu Liefer- und Abholdiensten fast schon routiniert. Sarreguemines scheint sich in ein „städtisches-Bestell-Dienst-Zentrum“ zu verwandeln und unzählige Annoncen zu Bestell- und Abholdiensten trudeln über die sozialen Netzwerke bei uns ein.Leider sind es nicht nur diese Annoncen, sondern auch Nachrichten zu erkrankten Covid-19 Patienten aus unserer Umgebung. Wir hoffen, dass sie alle durchkommen.Das Französische verfügt über ein Wort, das beschreibt, an was man sich in diesen dunklen Zeiten festhalten soll: „convivialité“ Zusammenhalt, Miteinander. Wir haben das gestern beim Skype-Abendessen mit Freunden zelebriert. Von Sarreguemines, aus dem Confinement in die Welt. Wenn es bei euch in Deutschland, Österreich oder wo immer ihr auch seid, morgen auch wieder losgeht mit einem Lockdown, dann verliert nicht den Mut. Schützt euch und eure Familie und Freunde- und bleibt gesund!

J-0 Le ReConfinement/ Die Ausgangssperre

Nun ist er da, der Jour 0 – seit 0 Uhr sind wir wieder confinemiert, oder wie eine liebe Freundin gesagt hat: eingeigelt. Bragi hat mich heute Morgen auf der allmorgendlichen Runde schon ganz komisch angeschaut, als ich an einer Stelle, an der wir normalerweise weiter geradeaus gehen, wieder umgekehrt bin. Egal, ob der Regen herunterprasselt, zwanzig Minuten Parc Municipal habe ich mir gegönnt. Das ist ein großer Unterschied zum ersten Confinement vom Frühjahr- die Parks sind offen und die Wälder dürfen betreten werden, sofern du einen Parc oder den Wald in deinem Radius von einem Kilometer um dein Haus hast. Wir sind hier oben mit dem wunderschönen saargemünder Stadtpark, dem Parc Municipal- gesegnet. Er gehört in „normalen“ Zeiten schon zu unseren Lieblingsplätzen in der Stadt- jetzt freue ich mich, dass ich zumindest 20 Minuten dort am Tag verbringen kann. Es hat fast was von Eishockey- also von der Zeiteinteilung in Drittel- 20 Minuten hinlaufen- 20 Minuten flanieren zwischen Esel, Schafen, Pfau und Lama- und dann schnell wieder den Berg hoch -20 Minuten bis zur Spitze des Blaubergs. Und dann hoffen, dass die Police dich nicht erwischt, wenn du deine Zeit draußen um 5 Minuten überziehst, weil du nicht schnell genug den Berg hochkommst- das kostet dann mal gleich 135€. So ist das im Confinement. Ich hab es geschafft heute Morgen, alles hat gepasst. Nach 58 Minuten war ich wieder zuhause und wie wenn sie es gewusst hätten, fuhr der Wagen der Police Nationale just in dem Moment an mir vorbei, als ich meine Zauntür hinter mir schloss.  Sie nickten herüber und lächelten. Beide Polizisten lächelten. Mir wurde klar, dass es kein Gegeneinander von Polizei und Bürger gibt. Die Polizei hilft uns, uns zu schützen vor Corona und Covid- auch durch die Strafen für diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, die sie vorsätzlich brechen. 1500€ ist viel Geld für dreimal keine Maske anziehen und dabei erwischt werden. 

Sie werden noch lange kontrollieren, Patrouille fahren und Strafzettel verteilen. Der französische Staat zeigt Präsenz. Das ist angesichts eines unsichtbaren Gegners wie dem CoronaVirus irgendwie beruhigend. Premierminister Castex und unser „Minister für Gesundheit und Solidarität“ haben die Maßnahmen gestern Abend eingehend erläutert- jedem sollte klar sein, was die Stunde geschlagen hat. Für uns Deutsche wirkt die Härte der französischen staatlichen Maßnahmen zuerst irritierend. Aber seit dem Confinement im März und den Zahlen der letzten Wochen, versteht man die Maßnehmen, die jetzt ergriffen werden als aktiven Beweis der Verantwortung des französischen Staates für seine Bürger- auch für uns. Das tut gut.

Bilder des Parc municipal, findet ihr unter meinen Ausflugstipps auf www.zaungeschichten.com für die Zeit nach Corona:-) Bleibt gesund! 

Le Jour-1

Wenn in Frankreich etwas Besonderes bevorsteht wie der Schulanfang oder Weihnachten, dann bringen die Franzosen ihre Freude über das kommende Ereignis mit einem Countdown zum Ausdruck. „Jour -1“ bedeutet: noch ein Tag bis zum großen Ereignis. Heute ist wieder mal so ein J-1. Doch diesmal steht der J-1 nicht im Zentrum von Vorfreude, heute ist der Tag vor unserer Reconfinementierung. Seit gestern Abend ist klar, dass der J-1 wieder bedeutet Abschied nehmen zu müssen von Freiheiten, die uns im Juni wieder geschenkt worden waren. Ab morgen gelten wieder Attestationen, verschärfte Ausgangsregeln- genauere Details liefert uns wahrscheinlich eine Pressekonferenz, die unser Premierminister Castex- unser bewährter Philippe wurde zwischenzeitlich durch Macron ausgetauscht- heute Mittag hält.Wenn eine Rede an die Nation angesetzt wird, dann wissen wir alle, was die Uhr geschlagen hat. Und spätestens nach den fast schon zeremoniellen Schlussworten „Vive la Republique! Vive la France!“, herrscht in CoronaZeiten ein paar Sekunden betretenes Schweigen und man hört fast durch die Häuserwände das tiefe Durchatmen unserer Nachbarn. Genauso war es gestern Abend. Nur hat unser Präsident den beiden Schlusssätzen mit geballter Faust und festem Blick einen anderen vorangestellt: „Nous sommes la France!“ Er hat nicht wieder dem Virus wie im Frühjahr rhetorisch „den Krieg“ erklärt, sondern an das appelliert, was Frankreich ausmacht, was unseren Blauberg und Sarreguemines ausmacht: den Zusammenhalt. Wir werden es auch dieses Mal zusammen mit Abstand schaffen, den Ausbruch des Virus einzudämmen. Wie lange wir brauchen, das steht in den Sternen- aber wir werden sie wieder leben, die französische Solidarität. Nous sommes la France! Die Zaungeschichten gehen weiter, morgen am J-0 des zweiten Confinements. Bleibt gesund wo immer ihr seid. Restez en bonne santé!

16.10. 20 Vlog/ Videotagebuch

Ihr habt es euch wahrscheinlich schon gedacht: Die Zaungeschichten gehen in Anbetracht der CoronaLage im GrandEst weiter. Ich werde zusätzlich zu den Geschichten einen Videoblog führen und ich hoffe, euch gefällt das. Der Wind wehte leider stark und die Sonne war auch nicht spendabel während der Aufnahme heute Morgen- passt aber irgendwie zur Stimmung, in der wir uns gerade befinden. Ein neues Mikro ist schon geordert. Die Videos findet ihr auf www.zaungeschichten.com und dem neuen Videokanal auf Youtube https://youtu.be/rlkCod5wcW0 . 🙂 Bleibt gesund!

Zaungeschichten.com im TV

Liebe Leser meiner Blogs, die Zaungeschichten sind wieder da. Der saarländische Rundfunk ist auf meinen Blog aufmerksam geworden und hat für seine Zuschauer und euch, meine lieben Leser, einen Bericht über die realen Zaungeschichten gedreht. Zu sehen am Montag, 18.50 Uhr im dritten Programm des Saarländischen Rundfunks. Ich werde am Montagabend den Bericht hier und auf www.zaungeschichten.com verlinken und dann seht ihr unsere Straße, meinen lieben Nachbarn und natürlich Sascha und mich. Viel Spaß dabei! Die Pfälzer unter euch und diejenigen, die ganz woanders zuhause sind, können den Bericht natürlich in der Mediathek des Saarländischen Rundfunks anschauen.  

Hier kommt schonmal die Ankündigung des Saarländischen Rundfunks auf „Wir im Saarland- Grenzenlos“

https://www.sr.de/sr/fernsehen/sendungen_a_-_z/uebersicht/wims_grenzenlos/index.html

Woche 5 und 6 Ende der Entkonfinementierung

Die letzte Woche war eine Art Warten auf das Ende der Grenzregelungen, Warten darauf, was nun geschehen würde. Alle Zeichen standen auf den Wiedereinzug unseres Alltags hier auf dem Blauberg. Veränderungen deuteten sich schon im Laufe der Woche an, als mein Mann einen Anruf seines Arbeitgebers erhielt. Er solle doch Montag wieder zur Arbeit kommen. Die Kurzarbeit für ihn sei nun vorbei. Monsieur le President redete am Sonntag und danach war klar, die Phase der Entkonfinementierung sollte tags darauf ein Ende finden. Wir waren hin- und hergerissen- wir sollten also aus unserem gefühlten Dornröschenschlaf langsam wieder erwachen und uns dem neuen alten Rhythmus unterwerfen- alles ein bisschen unwirklich.

Nur langsam konnten wir uns an den Gedanken gewöhnen, dass es wieder los geht- Arbeitsstress und Hektik würden unseren von Fotografie und Homeschooling geprägten Alltag verdrängen. Wir beschlossen am Samstagabend das dritte Bild unserer LichtmalerSerie „Im Parc“ in unserem wunderschönen Parc municipale unterhalb des alten Krankenhauses zu malen. Wir wussten, dass es das Ende einer trotz allem auch schönen gemeinsamen Zeit war. Etwas wehmütig, aber doch geführt von dem Gedanken, ein wahrhaftiges Abschlussbild zu malen, sind wir mit unserer Ausrüstung losgezogen. In der dunkelsten Ecke des Parks wollten wir malen- wie immer ganz für uns allein. Doch da war ein junges Pärchen, dass die dunkle Ecke im Park für Schmusereien nutzte- wer kennt solche Situationen nicht. Wenn ich da an früher denke … hahahaha

Die beiden sahen unsere Kameras und fragten nach einem freundlichen „Bonsoir!“ in bestem Französisch, ob wir Fotografen seien. Ich zeigte den beiden Schätzchen unsere Fotos und schon waren sie sehr interessiert.  So kam es, dass wir unverhoffter Weise sehr offene Menschen vor der Kamera vor uns hatten, die für jeden Spaß zu haben waren. Während des Shootings erklärte mir die liebe Meryem, dass ihr Freund es bei ihr „im Salz“ liegen hatte und sie sich gerade versöhnt hatten. Frederic wusste wohl, wie er die junge Dame wieder um seinen Finger wickeln konnte: mit einer Schachtel Pralinen vom besten Chocolatier vor Ort. So macht man das 😉

Meryem drückte mir am Ende des Abends die Pralinen in die Hand und sagte, die würden jetzt uns zustehen, da wir mit unseren Bildern zur Versöhnung der Beiden beigetragen hätten. Sowas von süß. Was erlebt man also nicht alles nachts im Parc municipal von Sarreguemines. 

Montag ging dann der normale Wahnsinn wieder los- nicht ganz. Sascha arbeitet wieder in Deutschland, ich bin noch im Homeschooling. Am Montag hat Sascha gleich Sprudel in Glasflaschen aus Deutschland mitgebracht und sein Bartpflegezeugs gekauft. Mehr nicht. Letzten Mittwoch war ich wieder beim Verkauf der Bauerngenossenschaft „la ruche qui dit oui“ am Saargeminner Bahnhof- es sind wieder weniger Leute, die da anstehen, um ihre Sachen abzuholen. So schnell vergisst so Mancher. Ehrlich, ich war bis heute noch nicht wieder drüben in Deutschland. Ich möchte den „Zauber“ des Confinements, den es über unser ganz persönliches Leben gebracht hat, so schnell nicht verlieren. Das gemeinsame Lachen, das gemeinsame Weinen, das Hoffen und Bangen, die unverwechselbare französische Solidarität, die Gewissheit, dass Freunde in schlechten Zeiten zu einem Teil unserer Familie werden können.

Das traurige Gefühl auf der Hunderunde bleibt allerdings, wenn ich an den leeren Häusern der Covid-19 Opfer vorbei gehe. Es tut mir um alle sehr leid, nicht nur unser Quartier hat viele Menschen verloren. 

In aller Demut sind alle unsere Freunde hier auf dem Blauberg froh, dass wir es überstanden haben- bis jetzt. Und um unseren Zusammenhalt zu ehren, um den Tagen des Hoffen und Banges um unsere gute Louise zu gedenken und um daran zu erinnern, was im Leben wirklich zählt, werden wir am Wochenende ein kleines Fest der so großen französischen Solidarität feiern. Wir werden mit Abstand essen und trinken und uns ein bisschen auch selbst hochleben lassen, auf unserem Blauberg, in unserer kleinen Stadt Sarreguemines, in unserem Lothringen, im äußersten Osten Frankreichs.

Wenn ihr heute Abend auch zusammensitzt, dann trinkt einen auf uns und auf euch- genau wie ich auf euch trinke. Denn wir sind noch da, trotz Corona und Covid-19. À votre santé! Bleibt gesund!

Woche 4 der Dekonfinementierung

Nun sind wir seit Dienstag weitgehend bewegungsfrei- zumindest in Frankreich.Dass die jungen Leute nach der langen Zeit des Confinement die erlösende Freiheit vermissen, hat sich am Samstagabend schon angedeutet. Die erste Party unter freiem Himmel wurde gefeiert bis um 5:00 Uhr morgens. Ich lag im Bett und erinnerte mich an meine eigenen wilden Zeiten. Mann, ich werde alt.Wir haben am Pfingstwochenende Ausflüge in die nähere Umgebung unternommen, und uns langsam wieder daran gewöhnt, dass wir keine ausgangsbeschränkende Vogelflugzone mehr haben würden. Die 100 km Luftlinie, war bei uns sehr gut ein zu halten. Sie reichte bis nach Straßburg, sie führte uns -wie einige andere- ins Bitcherland und das angrenzende Elsass. Eine interessante Entdeckung haben wir in einem kleinen Kaff (entschuldigt bitte die Ausdrucksweise) namens Jägerthal gemacht. Oberhalb dieses MiniDorfs liegt die imposante Festung Windstein, eingangs Jägertals fanden wir die in Ruinen liegende Gründungsstätte der Firma DeDietrich. Durch diese Ruinen zu gehen, die symbolisch für die Eisenverhüttung stehen und die Geburtsstätte eines Weltkonzerns sind, war etwas ganz besonderes.

Nachdem wir den Heimweg über Reichshoffen und Bitch gemeistert hatten, musste ich natürlich zu Hause angekommen noch mal über diese Schmiede lesen. Es hat mich sehr überrascht, als ich im Internet eine Quelle fand, die die Schmiede dieser Weltfirma mit dem für mich größten deutschen Dichter überhaupt in Verbindung brachte. Goethe war dort und es wird vermutet, dass eine Szene des Faust auf genau diesen Besuch Goethes zurückgeht. Das war schon ein cooles Gefühl. Das Elsass hat überhaupt sehr viel zu bieten und man vergisst regelrecht, dass das Gute so nah liegt. Für unsere Lichtmalerei können wir uns fast keine schönere Umgebung denken. Der Alsace ist dünn besiedelt und von einem so dichten Wald bewachsen, dort mangelt es nicht an Dunkelheit in der Nacht.

Es herrschte eine seltsame Stimmung als wir so durch die Gegend fuhren, keine deutschen Autos auf der Straße, keine deutschen Urlauber am Hanauer Weiher und keine deutschen Touristen auf den Terrassen der Cafés. Sie waren alle noch geschlossen und vor dem ein oder anderen standen Leute, die insgeheim wohl gehofft hatten, dass sie geöffnete Restaurants vorfinden würden- der die vor der Tür geduldig warteten bis sie ihre bestellten Essen abholen konnten. Fast jedes Restaurant bietet einen Abholservice an- eine Entwicklung, die im Confinement ihren Anfang fand. Etwas verwirrend wird das alles als DRIVE bezeichnet, aber das ist egal und eine Kuriosität der „Einfranzösiserung“ von englischen Begriffen. Fakt ist, es half den Gastronomen zu überleben. Seit Dienstag hat die Gastronomie wieder geöffnet und die Franzosen, wie auch wir, freuen uns sehr darüber, dass es wieder einen Schritt voran geht.

Uns ist bewusst: So werden wir diese Gegend hier nie wieder erleben, so still, so schön. Deswegen haben wir die Woche intensiv genutzt. Nicht nur ins Elsass zog es uns, wir waren auch unterwegs ins Lothringer Seenland. Vorbei am Mittersheimer Weiher (leider noch wegen Renovierungsarbeiten an der Strandpromenade gesperrt) über Rhodes am Stockweiher bis hin zum Etang de Lindre, dem wunderbaren Naturschutzgebiet, das mit besonderen Attraktionen auf uns wartete. Störche in vollbelegten Nestern, es war so wunderbar. Schwalben, wohin das Auge reichte. Die Natur zeigte sich in ihrer ganzen Pracht. Sogar ein Kranich war zu sehen.

Der Saar- Kohle- Kanal- Radweg ist jedem von euch zu empfehlen- ganz flach, vorbei an Feldern und Dörfern ist er auch ohne E-Bike gut zu fahren und ist eines der Highlights der Region. Wir haben so viel fotografiert, uns Sonnenbrand eingefangen und das schöne Wetter in vollen Zügen genossen. Auf Zaungeschichten wird es ab Montag eine neue „Seite“ geben, die sich mit Ausflugstipps 100km rund um Sarreguemines befasst- da seht ihr dann auch unsere Fotos.Gute Neuigkeiten gibt es von Melody- ihre Tochter hat endlich einen Flug nach Frankreich bekommen und trifft am 15. Juni auf dem Blauberg ein. Monsieur Jean, der Klavierspieler von gegenüber hat Dienstagabend ganz inbrünstig die Ode an die Freude von Beethoven gespielt- wie wenn er die wiedererlangte Freiheit begrüßen wollte.

Nicht nur für die Menschen scheint das Confinement vorüber. Wir haben einen neuen Mitbewohner- einen kleinen Igel, der uns jeden Abend zur gleichen Zeit besucht und sich sein Rührei schmecken lässt. Da bei mir jedes Tier ganz schnell einen Namen hat- Spinne Victor, Ella die Maus usw, brauchte der Igel natürlich auch einen Namen: angelehnt an den britischen Skispringer, der uns in den 80ern unterhielt, heißt der Igel jetzt Eddie- natürlich „de Igel“.

Sarreguemines hat seit letztem Wochenende einen neuen Bürgermeister. Bewegend war der Abschied des alten, der so viel für die Stadt getan hat. Mehr durch Zufall als gewollt, bin ich auf die Liveübertragung der Ratssitzung bei Facebook gestoßen und war geschockt, das so viele Persönlichkeiten des öffentlichen saargeminner Lebens betrauert wurden, die Covid 19 nicht überlebt haben. Unsere gute Louise ist eine der ganz wenigen, die es geschafft haben. Sie wird helfen, die Stadt noch ein Stück schöner zu machen.

Ich hoffe ihr hattet auch eine schöne Woche und wünsche euch ein schönes Wochenende.