Tag 43 der Ausgangssperre

Als unser Premierminister Philippe gestern in der französischen Nationalversammlung sprach, waren nur wenige Abgeordnete anwesend. Die, die da waren, saßen brav in vorgeschriebenen Abstand. Die Nationalversammlung so zu sehen hat schon etwas Befremdliches. Nachdem nun Österreich die völlige Aufhebung der Ausgangssperre und der anderen verhängten Maßnahmen verkündete, nachdem die Maßnahmen des Saarlandes durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden, waren wir ganz gespannt, wie es nun bei uns hier im Grand Est und dem Rest von Frankreich weitergeht. 

Was Édouard Philippe verkündete klingt nach nicht viel Erleichterung, bedeutet aber doch die Wiedererlangung eines -wenn auch kleinen- Teils unserer Freiheit. Frankreich hat die Krise noch nicht überstanden und achtet penibel darauf, dass Covid 19 das Land nicht in Form einer zweiten Welle überrollt. Wir werden Erleichterungen haben, unser Bewegungsradius wird sich um das Hundertfache, auf 100 Kilometer, erweitern. Wir dürfen uns dann auch wieder ohne Ausgangsschein in diesem Radius bewegen. Wer zukünftig Geburtstag hat, Jubiläen feiert oder Familienfeiern und Treffen mit Freunden plant, darf zusammen mit zehn Leuten diese Festlichkeiten begehen. Sport darf auch wieder mehr betrieben werden, Parks und Naherholungsgebiete werden teilweise wieder eröffnet. Die Gastronomie bleibt weiter geschlossen. Großveranstaltungen sind natürlich genauso abgesagt wie Kinos geschlossen bleiben. Schulen öffnen teilweise, in besonders betroffenen Regionen bleiben sie weiterhin geschlossen.

Die Krise zeigt, wie verwundbar das französische Gesundheitssystem nach Jahren der Sparerei ist. Gerade deshalb finden wir die Handlungsweise, die die französische Regierung in Bezug auf Corona zeigt wirklich beeindruckend. Sie ist absolut notwendig. Abhängig bleiben die Lockerungen allerdings von der Infektionszahlen. Gibt es bis zum 11. Mai weniger als 3000 neue Infektion pro Tag, dann wird am 11. Mai gelockert. Ist das nicht der Fall, bleiben die bisherigen Regelungen in Kraft. Die Infektionszahlen schweben also wie ein Damoklesschwert über all den schönen Ankündigungen. Der 11. Mai, das sind jetzt noch zwölf Tage. Zwölf Tage, in denen noch viel passieren kann. Zwölf Tage die immer noch gefüllt sind mit dem Gedanken und der Hoffnung an ein normales Leben, das es so schnell nicht mehr geben wird. Trotz der Aussicht auf 100 km Bewegungsradius, blieb ich nach der Nachrichtensendung etwas ratlos zurück. Während ich mir eine Tasse Kaffee kochte, erreichte mich eine Nachricht von Julie. Sie fragte, ob ich wüsste, wann wir wieder nach Deutschland dürften. Und dann war da die Grenze wieder in meinem Kopf. Wir wissen nur, dass die Grenzen bis mindestens Montag geschlossen sind. Die Berichte über Widrigkeiten beim Grenzübertritt häufen sich in der Presse. Sie haben es in die überregionalen Zeitungen Frankreichs aber auch Deutschlands geschafft. Sie geben ein trauriges Bild ab- ein genauso trauriges Bild wie die weißen Absperrungen auf der Brücke zwischen Sarreguemines und Hanweiler. Julie gibt sich mit der Antwort: ‚Keine Ahnung! Wir hoffen auf nächste Woche!’ zufrieden. Dann schreibt sie eine zweite Nachricht. ‚Le poopee est arrivé!‘ Ich überlege kurz, frage, was sie denn meine. Sie beordert mich zum Zaun. Als ich rauskomme steht sie da und hält mir grinsend ein Paket hin. „Das ist das Klopapier, das ich vor lauter Angst vor drei Wochen online für uns alle bestellt habe! Jetzt ist es endlich da!‘ Da ist er wieder, der alltägliche Coronawahnsinn, den wir hier leben, mit der Verrücktheit, die wir alle so dringend brauchen. Wir lachen und das tut gerade sehr gut. 

Bleibt gesund, tragt eure Masken und habt einen schönen Tag!

Tag 25 der Ausgangssperre

Gerade meldet BFMTV, dass Macron erwägt das Schengen-Abkommen bis September außer Kraft zu setzen. Gestern gab es in den Medien Berichte, dass Vermieter Touristen auf die Insel Sylt schmuggeln.

Ich habe lange überlegt, ob ich mich zu dem Thema- was man kann oder was man darf, äußere. Nachdem ich während der letzten Tage einige Nachrichten erhalten habe, in denen mich Freunde fragen, ob man „wirklich“ nicht rüberkommt, nun ein kurzes Wort dazu. Man muss da zwischen verschiedenen Standpunkten unterscheiden. Da wäre der Standpunkt, den Sascha und ich haben- der heißt „Wir bleiben zuhause. Ansteckung und Weitergabe des Virus so gut es geht vermeiden“. Das bedeutet, wir beugen uns zähneknirschend den erlassenen Vorschriften und halten uns an die Empfehlungen möglichst zuhause zu bleiben. D.h. wir benutzen im Homeoffice und in der Kurzarbeit nicht unsere Erlaubnisscheine, um nach Deutschland zu kommen. Die beschränken sich nämlich auf die Fahrt zur Arbeit und zurück. Nach den Berichten und Erfahrungen einiger unserer französischen Freunde sind wir im Moment nicht gerade scharf darauf, nach Deutschland zu fahren- abgesehen vom arbeiten. Es gab in Saarbrücken und Umgebung in den letzten Tagen einige Übergriffe auf Autos mit französischen Kennzeichen. Nicht umsonst hat die saarländische Ministerin Rehlinger versucht, sich bei Franzosen für die Vorkommnisse entlang der Grenze zu entschuldigen. Die Übergriffe sind Fakt. Also wir fahren beide Autos mit französischen Kennzeichen und brauchen nicht noch eine zusätzliche Beule an den Wagen. Es muss nicht passieren- aber es könnte passieren.

Da gibt es diejenigen, die sagen „Ok- ich kann auch rüberfahren, ich hab ja meine GrenzübertrittsErlaubnis für die Arbeit. Egal, ob ich arbeite oder nicht. An der Grenze wird wenig kontrolliert- ich fahre über die Grenze so oft ich will. Ich hab noch keine Angriffe erlebt und werde das auch weiter so machen.“ Man bewegt sich dabei in einer Grauzone, die bei einer intensiven Kontrolle der Grenzbehörden zum eigenen Nachteil gereichen kann. Wass 99 mal klappt, kann beim 100x schief gehen- gerade jetzt, wo die Franzosen intensive Kontrollen angekündigt haben. Wo ist aber da der Gedanke an die Weitergabe des Virus? AnsteckungsRisiko auf Kosten eines günstigen Einkaufs in Deutschland? Zugegebenermaßen verstehe ich, dass es schwer ist die Lage nicht zu nutzen- gerade wenn man Verwandte direkt auf der anderen Seite der Grenze hat. Die Frage stellt sich also: Darf ich etwas tun, weil es gerade möglich ist bzw weil ich es gerade tun kann. 

Wir positionieren uns ganz klar: Wir bleiben zuhause. Unser Zuhause ist Frankreich. Wir respektieren die deutsche Grenzschließung und bleiben, wenn es nicht dem Arbeiten dient, in Sarreguemines. Wir leben hier in einem hoch entwickeltem Land, das uns zu versorgen weiß. Immerhin heißt es nicht umsonst: Leben wie Gott in Frankreich- ok- momentan ein eingesperrter Gott in Frankreich. Wir werden es überleben, wenn die Eier gerade mal aus sind oder das Backpulver fehlt. Wenn von 100 Artikeln im CoraDrive 30 Artikel aus sind. Wir freuen uns über CarePakete von unseren Freunden, die uns deutsche Leckereien schicken. Das Einzige was mir wirklich fehlt sind Zitronenkekse- softbaked😉…. und die Freizügigkeit und die lieben Menschen, die ich sonst in Deutschland um mich herum habe. Die fehlen mir sehr. Aber glaubt mir- wir werden eine deutsch- französische Party machen, wenn dieser ganze Mist vorbei ist- und dann werden wir wissen, was wirklich wichtig ist und war. ❤️Habt einen schönen Samstag in Deutschland wie in Frankreich!❤️