Kaltwarme Feiertage

Nun hat es uns wieder, das Confinement. Nach einer Woche erneuter Ausgangsbeschränkung auf 10 km Umkreis von unserem Haus, dem Verbot die Regionsgrenzen ohne triftigen Grund zu überqueren, Sperrstunde zwischen 7 Uhr abends und 6 Uhr morgens, hat sich das Confinement-Gefühl wieder halbwegs eingestellt. Die französische Schule hat geschlossen und die Ferien wurden vorgezogen. Für die Eltern, die im Gesundheitsbereich arbeiten gibt es eine Notbetreuung in der Schule. Unser kleiner Nachbar Loic zieht es eher vor bei mir in die „Schule“ zu gehen- in meinem Büro, neben meinem Schreibtisch, den ich zum Homeschooling nutze, habe ich ihm einen kleinen Tisch frei gemacht und wollte mit ihm zusammen in eine neue Arbeitswoche starten. Wie es der Teufel so wollte, es kam wie immer anders. Am Mittwoch vor Ostern fiel unsere Heizung aus- nicht, dass sie erst ein DreiviertelJahr alt wäre. Unerwartet schnell kam unser Heizungsmonteur vorbei und ich hoffte die Kaltwasserperiode wäre schnell vorüber, denn das Wetter wurde wie ihr wisst nicht unbedingt besser. Ok, also unser guter Chauffagiste kam, sah und schien zu siegen. Ersatzteil wurde schnellstens besorgt und nachdem es eingebaut war, festgestellt, dass es doch nicht die Zündung war. Alles klar, das Haus kühlte mehr aus, aber der liebe Heizungsinstallateur meinte, er würde das richtige Ersatzteil schnell- also bis Donnerstag besorgen – eine Nacht und einen Tag- wir sind ja keine Jammerlappen- das überleben wir. Gesagt, getan- Gründonnerstag, pünktlich zum Osterfest, rief der Heizungsmann an, sagte, das Teil sei da, er komme gleich vorbei. Prima- alles geklappt. Ein paar Minuten später stand er vor der Tür und verschwand mit meinem Mann im Keller, um die Reparatur voranzubringen. Böses schwante mir, als mein Sascha mit gesenktem Kopf aus dem Keller wieder nach oben kam. „Das Ersatzteil ist eingebaut,“ sagte er, „aber die Heizung läuft immer noch nicht! Wir wissen jetzt aber woran es hängt- ein gebrochenes Kabel!“ „Hat er das auf Lager?“ Fragte ich etwas verzweifelt. „Leider nein. Er muss es bestellen und er schaut, dass er es am Dienstag hat und kommt dann sofort zum Einbau!“ Ich erstarrte angesichts des kalten Duschwassers und der kalten Heizung. „Die ganzen Ostern kaltes Wasser?“ Sascha lächelte mich fast schon schadenfroh an und meinte nur kurz :“Geht ja alles auf Garantie!“ Ich dachte an Julien – meine Pläne mit ihm in meinem Büro zu arbeiten wurden über den Haufen geworfen. Wir hatten uns irgendwann ein Öfchen zum campen gekauft und das musste nun das Wohn- und Esszimmer heizen und alles geben, damit jeder von uns etwas davon hatte. Alles also nur eine Frage der Organisation. Über Ostern trugen wir also das Öfchen von Zimmer zu Zimmer- vor allem ins Bad. Meine Haare freuten sich über die Kaltwasserkur und so überlebten wir von der ganzen Situation etwas belustigt und mit Vorfreude auf den Reparaturdienstag die Osterfeiertage. 

Ich glaube jedem ist klar, dass die Ersatzteillieferung am Tag nach den Feiertagen nicht um 8 Uhr morgens von statten geht und daher der Heizungsfuzzi nicht um 9 vor der Tür stehen kann- man wünscht es sich trotzdem. Loic kam um 9.30 Uhr  und setzte sich zu mir an den Esstisch, in die Nähe des Heizöfchens, dass unser Wohn- und Esszimmer wohlig wärmte. Wir legten los- ich mit meinen Videokonferenzen und Julien mit seinem hart durchgeplanten „Ecole direct“- Unterrichtsplan- Respekt, da hat sich seine Lehrerin wirklich viel Mühe gegeben. Zwischendurch schaute ich aus dem Fenster in festen Hoffnung, das Auto des Mechanikers den Blauberg herauffahren zu sehen. Ich malte mir aus, wie es endlich wieder „ordentlich“ warm sein würde und wie ich wahrscheinlich das warme Wasser in der Dusche ordentlich ausnutzen würde. Zu meinem Unmut kam kein ‚Pöscho partner‘ herangefahren und nicht nur die Dusche blieb wieder kalt- Ersatzteil war noch nicht angekommen. Als ich Sascha fragte, was der Heizungsmonteur denn genau gesagt habe, da sagte er: „Naja, ich stand nebendran, als der Monteur mit dem Hersteller der Heizung telefoniert hat. Und ich meine verstanden zu haben, dass der Herstellermitarbeiter „mercredi“ als Liefertag gesagt hat. Der Monsieur schaute mich dann an und sagte, das Teil käme am Dienstag!“ Da wurde mich schlagartig klar, w as passiert war. Wir waren echtem „Freutsch“ (so nennen wir hier die deutsch-französischen Wortvermengungen) aufgesessen. Ich musste lachen- ein Übersetzungsfehler. Mercredi, das ist der Mittwoch und nicht der Dienstag. In all seiner Bemühung hatte der Heizungsbauer sich bei der Übersetzung des Tages geirrt und so wurde aus Mercredi anstatt Mittwoch, der Dienstag. Und was soll ich sagen, Mittwoch um 10 stand der nette Mann vor unserer Tür, winkte mit dem Kabelersatz und binnen Minuten wurde das Haus wieder aufgeheizt. So ist das im Lothringer Sprachengewirr.

Unser Wasser ist wieder warm und wenn jemand mal einen Heizungsmonteur hier braucht- ich kann unseren „wärmstens“ empfehlen. Schönen Sonntag euch drüben wie hüben 🙂 Passt auf euch auf und bleibt gesund! 

Sperrstunde und verwaistes Gleis

Wenn der Wind vom Saartal herauf weht, dann kann man ihn auf dem Blauberg am intensivsten wahrnehmen. Manchmal trägt er den Geruch der großen Reifenfabrik herauf zu uns, manchmal transportiert er- mitten in der Ausgangssperre Geräusche nach oben. Die einfahrende Saarbahn mitten in der Nacht, klappern in der Ferne, quietschen der Bremsen, ankommen, verbinden. Die Sache mit dem Verbinden ist in diesen Zeiten nicht so einfach. Die Saarbahn höre ich seit ein paar Wochen nicht mehr. Die Verbindung, die für mehr als nur eine Bahnlinie steht, die Verbindung, die für die Enge der Region Moselle an das Saarland steht, ist gekappt. Züge passieren Saargemünd nur noch in Richtung Metz oder Direction Strasbourg. Gleis 1 bleibt verwaist und keiner weiß, wann das Symbol der Verbundenheit wieder fahren kann. Für viele Menschen wirft das hier bei uns enorme Probleme auf, denn die Saarbahn wird normalerweise rege genutzt- auch von uns. Ein Termin in Saarbrücken steht an oder einfach nur ein Bummel in der Stadt- die Saarbahn ist ein tolles Verkehrsmittel. Seit ihrer Einführung bietet sie nicht nur Gelegenheitsnutzern wie Sascha und mir die Möglichkeit ohne Parkstress zwischen den Saarmetropole und unserer Perle hin und her zufahren. Schüler nutzen die Saarbahn zum Schulbesuch in den umliegenden deutsch-französischen Schulen, Arbeitnehmer kennen die Vorzüge des Saarbahnverkehrs, Touristen genießen die Fahrt durch den Saar- und Bliesgau bis sie in Sarreguemines ankommen. Die Saarbahn ist also mehr als nur ein Zug, der zugegebenermaßen manchmal etwas verspätet, die Regionen GrandEst und das Saarland zusammenbringt. Die Saarbahn kann mit noch einer Besonderheit aufwarten: Sie wird aus der Saarbahn auf unserer GrenzSeite zur französischen „Tram“. Steigt man in Saargemünd aus dem Zug, dann sieht man die Leute, wie sie die Billetts für die Tram ziehen wollen.

Und jetzt? Stillstand mal wieder.. wie im letzten Jahr. Ressentiments kommen wieder hoch. Proteste werden in der saarländischen Öffentlichkeit auf die Testfrequenz reduziert- andere Themen der Kundgebungen nicht wahrgenommen,doppelte Steuerlast beim Kurzarbeitergeld oder die Belastung der Familien beim Grenzübertritt sind kaum ein Thema. Schade, denn sonst hätten die deutschen Zeitungsleser und Nachrichtenseher vielleicht mehr Verständnis für ihre französischen Nachbarn- und das sind wir Nachbarn. Da mag der eine den anderen nicht immer leiden, aber im Grunde genommen sitzen alle im selben Boot, wenn es um die Stimmung in unserer aller Heimatregion geht. Bei uns hier oben auf dem Berg ist sie trotz allem gut. Sie ist nicht für alle rosig.

Aber was wir uns bewahrt haben, das ist die positive Einstellung. Die Tatsache, dass man Covid überleben kann, das Bewusstsein, dass man sich glücklich schätzen kann, von lieben Menschen umgeben zu sein, das gegenseitige Aufmuntern, wenn es mal nicht so läuft und die für uns spürbare französische Solidarität- das macht das Leben trotz allem lebenswert. Nicht zu vergessen, wir leben hier in einem der schönsten Länder der Welt und dürfen teilhaben an dieser Gesellschaft, die uns dazu bewegte Wahl-Franzosen zu werden. Sie hilft uns den Kopf hoch zu halten. Wenn er auch manchmal schwer zu tragen ist, die Menschen hier auf dem Blauberg sind unser liebstes Frankreich- der Beweis, dass Europa gelebt werden kann….. In einer halben Stunde, um 19 Uhr, ist es wieder soweit: Couvre-feu, Sperrstunde- Sascha muss sich mit dem Kärcher sputen. Und dann um 20 Uhr sitzt ganz Frankreich wieder vor dem TV und wartet sorgenvoll auf die Rede unseres Präsidenten Macron. Wir rechnen mit einem harten Confinement. On croise les doigts- wir hoffen, dass es nicht so kommt… Mal sehen. Bleibt gesund da draußen- ob Grenzgänger, Deutscher oder Franzose….

J-0 Le ReConfinement/ Die Ausgangssperre

Nun ist er da, der Jour 0 – seit 0 Uhr sind wir wieder confinemiert, oder wie eine liebe Freundin gesagt hat: eingeigelt. Bragi hat mich heute Morgen auf der allmorgendlichen Runde schon ganz komisch angeschaut, als ich an einer Stelle, an der wir normalerweise weiter geradeaus gehen, wieder umgekehrt bin. Egal, ob der Regen herunterprasselt, zwanzig Minuten Parc Municipal habe ich mir gegönnt. Das ist ein großer Unterschied zum ersten Confinement vom Frühjahr- die Parks sind offen und die Wälder dürfen betreten werden, sofern du einen Parc oder den Wald in deinem Radius von einem Kilometer um dein Haus hast. Wir sind hier oben mit dem wunderschönen saargemünder Stadtpark, dem Parc Municipal- gesegnet. Er gehört in „normalen“ Zeiten schon zu unseren Lieblingsplätzen in der Stadt- jetzt freue ich mich, dass ich zumindest 20 Minuten dort am Tag verbringen kann. Es hat fast was von Eishockey- also von der Zeiteinteilung in Drittel- 20 Minuten hinlaufen- 20 Minuten flanieren zwischen Esel, Schafen, Pfau und Lama- und dann schnell wieder den Berg hoch -20 Minuten bis zur Spitze des Blaubergs. Und dann hoffen, dass die Police dich nicht erwischt, wenn du deine Zeit draußen um 5 Minuten überziehst, weil du nicht schnell genug den Berg hochkommst- das kostet dann mal gleich 135€. So ist das im Confinement. Ich hab es geschafft heute Morgen, alles hat gepasst. Nach 58 Minuten war ich wieder zuhause und wie wenn sie es gewusst hätten, fuhr der Wagen der Police Nationale just in dem Moment an mir vorbei, als ich meine Zauntür hinter mir schloss.  Sie nickten herüber und lächelten. Beide Polizisten lächelten. Mir wurde klar, dass es kein Gegeneinander von Polizei und Bürger gibt. Die Polizei hilft uns, uns zu schützen vor Corona und Covid- auch durch die Strafen für diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, die sie vorsätzlich brechen. 1500€ ist viel Geld für dreimal keine Maske anziehen und dabei erwischt werden. 

Sie werden noch lange kontrollieren, Patrouille fahren und Strafzettel verteilen. Der französische Staat zeigt Präsenz. Das ist angesichts eines unsichtbaren Gegners wie dem CoronaVirus irgendwie beruhigend. Premierminister Castex und unser „Minister für Gesundheit und Solidarität“ haben die Maßnahmen gestern Abend eingehend erläutert- jedem sollte klar sein, was die Stunde geschlagen hat. Für uns Deutsche wirkt die Härte der französischen staatlichen Maßnahmen zuerst irritierend. Aber seit dem Confinement im März und den Zahlen der letzten Wochen, versteht man die Maßnehmen, die jetzt ergriffen werden als aktiven Beweis der Verantwortung des französischen Staates für seine Bürger- auch für uns. Das tut gut.

Bilder des Parc municipal, findet ihr unter meinen Ausflugstipps auf www.zaungeschichten.com für die Zeit nach Corona:-) Bleibt gesund!