Jour +6 des Confinements

Babylonisch auf dem Blauberg

Das Confinement hat seine nächste Phase erreicht. Noch am Wochenende habe ich über die  rebellierenden Bürgermeister geschrieben- jetzt hat Castex reagiert und hat den großen Einkaufszentren verboten Waren, die nicht in den Bereich des täglichen Bedarfs fallen zu verkaufen. Spielzeugregale findet man seitdem abgehängt und Bücherregale kauern unter großen Planen bei Coa und wie sie sonst noch alle heißen. Anstatt also die kleinen Geschäfte wieder öffnen zu lassen, ist nun jeder Vor-ort-Verkauf nicht notwendiger Güter eingestellt. Man mag über die Sinnhaftig- oder Sinnlosigkeit streiten- in die Arme der Versandgiganten treibt es die Kundschaft allemal. Dem entgegen steht die Initiative „Click-et-Collect“ der Sarregueminner Einzelhändler. Ganz einfach auf den FacebookSeiten oder den Homepages der Geschäfte unkompliziert Bestellungen aufgeben und so trudeln auch die nicht so ganz notwendigen Dinge ins Haus. 

So wie sich die Einkaufswege online kreuzen, so kreuzen sich auf dem Blauberg hier bei uns immer wieder die sprachlichen Wege in Realität. Natürlich immer in gebührendem Abstand- aus dem Fenster heraus, bei der Hunderunde über die Straße hinüber, per WhatsApp von Haus zu Haus oder Telefon – ja, das soll es auch noch geben- den guten alten Anruf. Melody brauchte Hilfe beim Zahnarztbesuch. Sie sollte eine Weisheitszahnbehandlung bekommen. „Hi Love! Hast du morgen früh Zeit? Ich brauche jemanden, der mich zum Zahnarzt bringt!“ Zu ihren unsäglichen Zahnschmerzen kam die Angst von einem Gendarm kontrolliert zu werden und dann nicht die richtigen Worte zu finden. An die Attestation haben wir uns schon wieder gewöhnt und fast alle hier oben nutzen die Handy-Version- sehr praktisch und spart Zeit und Papier. Die neue Version speichert die Formulareingabe für’s nächste Mal ab und so müssen wir beim nächsten Ausgang nur noch die Uhrzeit eingeben. Die Bescheinigung wird dann kreiert und es kann losgehen, auf unseren Kilometer, für eine Stunde oder zum Einkauf oder wenn man jemanden zu einem Arztbesuch begleiten muss. Ganz wie ich heute. Den Abschluss fand unsere Arztfahrt in Erics Apotheke- und dort fand sich doch tatsächlich ein junges Mädchen, etwas schüchtern, aber auf Zack, das mit Melodie Englisch sprechen konnte. Es kann sehr interessant werden, wenn eine Engländerin mit einer deutschen in eine französische Apotheke geht und dort – für französische Verhältnisse- unverhofft auf eine junge französische PTA trifft, die englisch besser als deutsch spricht. Letztendlich war es für Mel eine Erleichterung und als wir wieder im Auto saßen, schaute sie mich ganz erstaunt an und sagte: „Hast du das gehört? Ich geb dich Hoffnung nicht auf, dass Englisch mal zur Standard-Zweitsprache hier wird!“ Klar hab ich mich für die gefreut, aber ein bisschen nachdenklich hat mich das dann schon gemacht. Immerhin ist das Deutsch hier in der Region von bei weitem größerer Bedeutung. 

Das hab ich im Übrigen gemerkt, als ich wieder zuhause war. Kaum hatte ich die Tür aufgesperrt und auf mein Handy gesehen, da hatte mir die liebe Bernadette eine Nachricht von größter Dringlichkeit, Urgence geschrieben. Kein medizinischer Notfall, sondern ein besonders dringender Fall von Sprachenwirrwarr und NachbarschaftsÜbersetzungsnotwendigkeit. Da war es wieder, das Gefühl, dass hier in unserem kleinen Universum jeder seinen Platz hat und die gegenseitige Hilfe großgeschrieben wird. Und wenn wir Melodys Idee des „Cookie-Exchange“ umsetzen, dann kann uns nix mehr passieren. Schokoladencookies sind gut für die Nerven, und die brauchen wir alle hier oben, dort unten und bei euch da drüben. Bleibt gesund!

Gestern habe ich von CoronaInfektionen in meiner alten Heimat erfahren- auf diesem Weg schicke ich natürlich die besten Wünsche über die Grenze! Passt auf euch auf! 

Jour +2 Reconfinement

Revolte! Das meine lieben Franzosen fast immer dafür sind dagegen zu sein ist allgemein bekannt. Hier wird das trotz des Confinements an den Gelbwesten deutlich, die gestern noch am Kreisel Richtung Roth-Hambach tapfer ausharrten und ihre Fahnen im Wind wehen ließen. Die Ordnungshüter werden das wohl noch am Wochenende tolerieren- genauso wie sie die Heimreisenden nach den Allerheiligen-Ferien noch durchs Land fahren lassen, obwohl wir eigentlich unser Heimatdepartement nicht verlassen dürfen. Nur in Ausnahmefällen- wie zur Fahrt zur Arbeit dürfen Sascha und ich genauso wie die anderen DepartementsEinwohner- das Departement Moselle57 nicht verlassen. Ab Morgen wird sich hier nach den „Anlauftagen des Confinements“ nocheinmal einiges verändern.Die Kinder müssen alle in der Schule Masken tragen. Nur den unter Dreijährigen bleibt diese Pflicht erspart. Die „Creche“ bleibt für die Kinder weitgehend maskenfrei- nur die Erzieher sind verpflichtet die Masken aufzusetzen. Der kleine Theo von nebenan muss sich mit seinen 4-Jahren also auch maskieren, sieht das Ganze aber sportlich und eher als Spiel. Derweil regt sich bei seinem älteren Bruder der leise Ansatz des Widerstandes. Allerdings nicht wegen der Maske sondern wegen des Schulanfangs. Blöde Hausaufgaben, die er bis zum letzten Tag aufgeschoben hatte, müssen noch erledigt- der Ranzen gepackt und die Bücher und Hefte kontrolliert werden. Und dabei werden Worte über Worte gemacht- ihr könnt es euch denken. Also an dieser Elternmisere am Ende der Ferien ändert Corona wohl nichts.Die Aufmüpfigkeit mancher unserer „Compatriotes“ zeigt sich auch an einer besonderen Entscheidung des Maire (Bürgermeisters) von Longwy im Nachbardepartement, der 54 „Meurte-et-Moselle“. Entgegen der Entscheidung von Macron alle „nicht dem lebensnotwendigen Bedarf dienenden“ Geschäfte zu schließen, erlaubt der Maire von Longwy gerade diesen kleinen Geschäften in seiner Gemeinde trotz des Macron-Erlasses wieder zu öffnen. Mal sehen, ob sich das der Prefet des Departements so gefallen lässt. Ob der Erlass also so durchgesetzt werden kann, bleibt abzuwarten. Andere Bürgermeister (in Frankreich sind die Maires sehr mächtig) haben bereits ihre Unterstützung angekündigt. Es wird also eine interessante Woche. Die Stadt Sarreguemines gab gerade bekannt den Kleinunternehmern neben den Garantien des Staates für Miete und vielem mehr unter die Arme greifen zu wollen.Bis dahin verläuft die Umstellung von „normalen“ Öffnungen der Geschäften, hin zu Liefer- und Abholdiensten fast schon routiniert. Sarreguemines scheint sich in ein „städtisches-Bestell-Dienst-Zentrum“ zu verwandeln und unzählige Annoncen zu Bestell- und Abholdiensten trudeln über die sozialen Netzwerke bei uns ein.Leider sind es nicht nur diese Annoncen, sondern auch Nachrichten zu erkrankten Covid-19 Patienten aus unserer Umgebung. Wir hoffen, dass sie alle durchkommen.Das Französische verfügt über ein Wort, das beschreibt, an was man sich in diesen dunklen Zeiten festhalten soll: „convivialité“ Zusammenhalt, Miteinander. Wir haben das gestern beim Skype-Abendessen mit Freunden zelebriert. Von Sarreguemines, aus dem Confinement in die Welt. Wenn es bei euch in Deutschland, Österreich oder wo immer ihr auch seid, morgen auch wieder losgeht mit einem Lockdown, dann verliert nicht den Mut. Schützt euch und eure Familie und Freunde- und bleibt gesund!

Le Jour-1

Wenn in Frankreich etwas Besonderes bevorsteht wie der Schulanfang oder Weihnachten, dann bringen die Franzosen ihre Freude über das kommende Ereignis mit einem Countdown zum Ausdruck. „Jour -1“ bedeutet: noch ein Tag bis zum großen Ereignis. Heute ist wieder mal so ein J-1. Doch diesmal steht der J-1 nicht im Zentrum von Vorfreude, heute ist der Tag vor unserer Reconfinementierung. Seit gestern Abend ist klar, dass der J-1 wieder bedeutet Abschied nehmen zu müssen von Freiheiten, die uns im Juni wieder geschenkt worden waren. Ab morgen gelten wieder Attestationen, verschärfte Ausgangsregeln- genauere Details liefert uns wahrscheinlich eine Pressekonferenz, die unser Premierminister Castex- unser bewährter Philippe wurde zwischenzeitlich durch Macron ausgetauscht- heute Mittag hält.Wenn eine Rede an die Nation angesetzt wird, dann wissen wir alle, was die Uhr geschlagen hat. Und spätestens nach den fast schon zeremoniellen Schlussworten „Vive la Republique! Vive la France!“, herrscht in CoronaZeiten ein paar Sekunden betretenes Schweigen und man hört fast durch die Häuserwände das tiefe Durchatmen unserer Nachbarn. Genauso war es gestern Abend. Nur hat unser Präsident den beiden Schlusssätzen mit geballter Faust und festem Blick einen anderen vorangestellt: „Nous sommes la France!“ Er hat nicht wieder dem Virus wie im Frühjahr rhetorisch „den Krieg“ erklärt, sondern an das appelliert, was Frankreich ausmacht, was unseren Blauberg und Sarreguemines ausmacht: den Zusammenhalt. Wir werden es auch dieses Mal zusammen mit Abstand schaffen, den Ausbruch des Virus einzudämmen. Wie lange wir brauchen, das steht in den Sternen- aber wir werden sie wieder leben, die französische Solidarität. Nous sommes la France! Die Zaungeschichten gehen weiter, morgen am J-0 des zweiten Confinements. Bleibt gesund wo immer ihr seid. Restez en bonne santé!

16.10. 20 Vlog/ Videotagebuch

Ihr habt es euch wahrscheinlich schon gedacht: Die Zaungeschichten gehen in Anbetracht der CoronaLage im GrandEst weiter. Ich werde zusätzlich zu den Geschichten einen Videoblog führen und ich hoffe, euch gefällt das. Der Wind wehte leider stark und die Sonne war auch nicht spendabel während der Aufnahme heute Morgen- passt aber irgendwie zur Stimmung, in der wir uns gerade befinden. Ein neues Mikro ist schon geordert. Die Videos findet ihr auf www.zaungeschichten.com und dem neuen Videokanal auf Youtube https://youtu.be/rlkCod5wcW0 . 🙂 Bleibt gesund!

Woche 5 und 6 Ende der Entkonfinementierung

Die letzte Woche war eine Art Warten auf das Ende der Grenzregelungen, Warten darauf, was nun geschehen würde. Alle Zeichen standen auf den Wiedereinzug unseres Alltags hier auf dem Blauberg. Veränderungen deuteten sich schon im Laufe der Woche an, als mein Mann einen Anruf seines Arbeitgebers erhielt. Er solle doch Montag wieder zur Arbeit kommen. Die Kurzarbeit für ihn sei nun vorbei. Monsieur le President redete am Sonntag und danach war klar, die Phase der Entkonfinementierung sollte tags darauf ein Ende finden. Wir waren hin- und hergerissen- wir sollten also aus unserem gefühlten Dornröschenschlaf langsam wieder erwachen und uns dem neuen alten Rhythmus unterwerfen- alles ein bisschen unwirklich.

Nur langsam konnten wir uns an den Gedanken gewöhnen, dass es wieder los geht- Arbeitsstress und Hektik würden unseren von Fotografie und Homeschooling geprägten Alltag verdrängen. Wir beschlossen am Samstagabend das dritte Bild unserer LichtmalerSerie „Im Parc“ in unserem wunderschönen Parc municipale unterhalb des alten Krankenhauses zu malen. Wir wussten, dass es das Ende einer trotz allem auch schönen gemeinsamen Zeit war. Etwas wehmütig, aber doch geführt von dem Gedanken, ein wahrhaftiges Abschlussbild zu malen, sind wir mit unserer Ausrüstung losgezogen. In der dunkelsten Ecke des Parks wollten wir malen- wie immer ganz für uns allein. Doch da war ein junges Pärchen, dass die dunkle Ecke im Park für Schmusereien nutzte- wer kennt solche Situationen nicht. Wenn ich da an früher denke … hahahaha

Die beiden sahen unsere Kameras und fragten nach einem freundlichen „Bonsoir!“ in bestem Französisch, ob wir Fotografen seien. Ich zeigte den beiden Schätzchen unsere Fotos und schon waren sie sehr interessiert.  So kam es, dass wir unverhoffter Weise sehr offene Menschen vor der Kamera vor uns hatten, die für jeden Spaß zu haben waren. Während des Shootings erklärte mir die liebe Meryem, dass ihr Freund es bei ihr „im Salz“ liegen hatte und sie sich gerade versöhnt hatten. Frederic wusste wohl, wie er die junge Dame wieder um seinen Finger wickeln konnte: mit einer Schachtel Pralinen vom besten Chocolatier vor Ort. So macht man das 😉

Meryem drückte mir am Ende des Abends die Pralinen in die Hand und sagte, die würden jetzt uns zustehen, da wir mit unseren Bildern zur Versöhnung der Beiden beigetragen hätten. Sowas von süß. Was erlebt man also nicht alles nachts im Parc municipal von Sarreguemines. 

Montag ging dann der normale Wahnsinn wieder los- nicht ganz. Sascha arbeitet wieder in Deutschland, ich bin noch im Homeschooling. Am Montag hat Sascha gleich Sprudel in Glasflaschen aus Deutschland mitgebracht und sein Bartpflegezeugs gekauft. Mehr nicht. Letzten Mittwoch war ich wieder beim Verkauf der Bauerngenossenschaft „la ruche qui dit oui“ am Saargeminner Bahnhof- es sind wieder weniger Leute, die da anstehen, um ihre Sachen abzuholen. So schnell vergisst so Mancher. Ehrlich, ich war bis heute noch nicht wieder drüben in Deutschland. Ich möchte den „Zauber“ des Confinements, den es über unser ganz persönliches Leben gebracht hat, so schnell nicht verlieren. Das gemeinsame Lachen, das gemeinsame Weinen, das Hoffen und Bangen, die unverwechselbare französische Solidarität, die Gewissheit, dass Freunde in schlechten Zeiten zu einem Teil unserer Familie werden können.

Das traurige Gefühl auf der Hunderunde bleibt allerdings, wenn ich an den leeren Häusern der Covid-19 Opfer vorbei gehe. Es tut mir um alle sehr leid, nicht nur unser Quartier hat viele Menschen verloren. 

In aller Demut sind alle unsere Freunde hier auf dem Blauberg froh, dass wir es überstanden haben- bis jetzt. Und um unseren Zusammenhalt zu ehren, um den Tagen des Hoffen und Banges um unsere gute Louise zu gedenken und um daran zu erinnern, was im Leben wirklich zählt, werden wir am Wochenende ein kleines Fest der so großen französischen Solidarität feiern. Wir werden mit Abstand essen und trinken und uns ein bisschen auch selbst hochleben lassen, auf unserem Blauberg, in unserer kleinen Stadt Sarreguemines, in unserem Lothringen, im äußersten Osten Frankreichs.

Wenn ihr heute Abend auch zusammensitzt, dann trinkt einen auf uns und auf euch- genau wie ich auf euch trinke. Denn wir sind noch da, trotz Corona und Covid-19. À votre santé! Bleibt gesund!

Woche 3 der Dekonfinementierung

So lange nun das Deconfinement dauert, so sehr haben wir uns daran gewöhnt. Wir schätzen es in vielen Momenten, die Augenblicke in denen wir es verwünschen sind weniger geworden. Einer dieser Augenblicke war der Geburtstag meines Vaters in Deutschland. Er ist nun schon etwas älter – um genau zu sein, hat er mit der Bundesrepublik Geburtstag am 23. Mai und wurde 71. Es war uns nicht möglich zu ihm zu fahren und diesen Tag mit ihm zu feiern. Etwas traurig haben wir ihm per Videophonie gratuliert. Im Gespräch haben dann alle eingesehen, dass es auch bei offener Grenze nicht in Ordnung gewesen wäre, wenn wir aus der roten Zone nach Deutschland gefahren wären. Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich das Virus unwissender Weise nach Deutschland geschleppt und jemanden angesteckt hätte. Undenkbar, die Folgen. So warten wir weiter bis am 15. Juni wahrscheinlich die Grenzen wieder offen sein werden und nutzen dann die Gelegenheit zu einem Besuch in Kübelberg.
Hier bei uns auf dem Blauberg ist halbwegs Normalität eingezogen. Morgens um 6 rast einer der Nachbarn aus der anderen Straße mit seinem Motorrad durch unsere kleine Straße, hält kurz am Place des Fleurs, um dann wieder bis zur Ecole de Blauberg zu beschleunigen. Monsieur Jean, der Klavierspieler, hat Sascha schon darauf angesprochen, dass wieder ein gewisser Lärmpegel erreicht wird. Schade, in der noch weniger befahrenen Rue des Jacinthes wurden „Hubbel“ auf die Straße montiert, um den Verkehr zu bremsen. Hier in unserer Straße ist zwar weniger Verkehr, aber die wenigen Autos rasen ob der graden Straße oft mit hoher Geschwindigkeit vorbei. Und gerade das ist sehr gefährlich, weil der Schulweg hier verläuft und man die Kinder zwischen den parkenden Autos manchmal nur schwer ausmachen kann. Aber noch ist es bis auf den morgendlichen überlauten Raser relativ ruhig.
Das man auch große, erwachsene Männer übersehen kann, zeigte eine beunruhigende Nachricht von meiner Kusine aus Ottweiler. Ihr Mann wurde angefahren, während er in einem Feuerwehreinsatz war. Er ist noch mit einem blauen Auge davon gekommen, wurde am Sprunggelenk operiert und befindet sich auf dem Weg der Besserung. An dieser Stelle nochmal die besten Wünsche vom Blauberg.
Sascha hatte diese Woche eher Schönheitsprobleme und war in FriseurNot. Normalerweise geht er zum deutschen Barbier, aber was ist in diesen Zeiten schon normal? Einen triftigen Grund zum Grenzübertritt gibt eine schlechte Frisur nicht her, also blieb er in Saargemünd und ließ sich hier die Haare schneiden. Er wurde natürlich schnell als Deutscher ausgemacht und die nette Friseurin und die anderen im Salon fragten ihn direkt nach „den Deutschen da drüben“. Mal wieder schlug ihm völliges Unverständnis über die Grenzsituation entgegen und zum gefühlten hundertsten Mal musste er die Lage rechtfertigen. Natürlich war es ihm wichtig zu erklären, dass wir das auch nicht gut finden und wir als Deutsche hier mit den Franzosen im selben Boot sitzen. Einhellig war die Meinung, dass die deutschen Läden nach der Grenzöffnung sicher noch eine zeitlang von weniger Umsatz getroffen sein werden, weil sich viele Franzosen sehr zurückgestoßen und misachtet fühlen- die Hinwendung zu französischen Geschäften wird zumindest die erste Zeit nach der Grenzöffnung- wann sie auch immer komme- weitergehen. Zum Schluss waren alle zufrieden- Sascha am meisten, da er mit einer guten Frisur und einem super Bartschnitt den Salon verließ. Also, wenn ihr in Sarreguemines mal nen guten Barbier sucht, dann seid ihr bei MEN’S BARBER in der Rue Nationale sehr gut aufgehoben.

Warum also in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nah liegt- das ist momentan ganz unser Motto und trifft nicht nur in der Wahl des Friseurs zu.
Unsere Ruchequiditoui.fr hat diese Woche wieder ausgeliefert und wir waren wieder am Start. Höchstens 50 km sind die Biohöfe von Sarreguemines entfernt und wir staunen immer wieder darüber, was die Region Kulinarisches zu bieten hat. Diesesmal gab’s zu einem großen Biohähnchen, Würstchen und vielem mehr noch frische Erdbeeren und leckere Kirschen. Die Erdbeeren sind schon verputzt- das Hähnchen kommt heute auf den Grill. Wir sind richtig entschleunigt und genießen die Zeit soweit es geht.

Ab 2. Juni werden wir eine „grüne Region“ sein, das Dekonfinement geht in die nächste Phase und wir bekommen viele Freiheiten zurück. Aber darüber hört ihr nächste Woche in meinem Bericht aus dem Dekonfinement, aus Sarreguemines von unserem Blauberg.
Sascha und ich wünschen euch ein schönes Pfingstwochenende! Passt auf euch auf und bleibt gesund!

Tag 49 der Ausgangssperre

Also noch bis mindestens 15. Mai sollen die Grenzen für die „NichtGrenzgänger“ geschlossen bleiben. Aber was nützen einem die pendleroffenen Grenzen, wenn die Leute nicht zur Arbeit gerufen werden. Also bleiben wir in unserem beschaulichen Sarreguemines. In Sarreguemines, genauer gesagt auf unserem Blauberg, dort wo die Straße vom Place des Fleurs in die Rue de la Foret abbiegt, liegt auf der linken Seite die Rue des Oeillets, die Nelkenstraße. Die Nelkenstraße ist eine ganz besondere Straße- wir nennen sie die „Phantomstraße“. An ihr stehen keine Häuser, kein Trottoir führt an ihr entlang. Madame Destin wohnt gegenüber der Einfahrt in die Rue des Oeillets, wenn sie aus dem Fenster schaut, dann sieht sie in eine eine große Wiese- die Rue des Oeillets. Auf den Stadtkarten, auch bei Google Maps ist die Rue des Oeillets eingezeichnet, doch sie existiert in der Realität nicht. Nur Gras- unsere Hunderennwiese.

 
Was so alles in Straßenkarten eingezeichnet ist… Ich sehe dort regelmäßig Madame Laporte und Monsieur Gaston mit ihren Hunden. Die zwei leben alleine, treffen sich regelmäßig zur Hunderunde und treffen dabei immer wieder auf mich und meinen schwarzen Rabauken. Mme Laporte sieht Bragis Gebell eher lässig, der nette Monsieur Gaston hat eher Angst um seinen kleinen Pinscher. Saschas scherzhafte Bemerkung, der wäre ein gutes Frühstück für unseren Schäfer trug gestern eher nicht zur Beruhigung der Situation bei. Monsieur Gaston nahm den Mini auf den Arm, als wir uns ihm näherten. Bragi fing schon mal aus sicherer Entfernung an zu stänkern und zeigte sein bestes „böses- Schäferhund“ Gesicht. Lisa, Gastons Pinscherdame beobachtet das Geschehen aus sicherer Entfernung und schaut mitleidsvoll oft Frage herab. Monsieur Gaston ist froh, als wir an ihm vorbei sind. Wir wünschen uns lachend einen schönen Tag. Dann geht es links auf die Rue des Primeveres, die es auch nur zur Hälfte gibt, und dann Richtung unseres Wasserturms. 


Unterwegs sehe ich Rudolphe, den Rockernachbarn bei Monsieur Schmidt am Haus stehen. Die beiden grüßen herüber- selbst jetzt bleibt Rudolphe bei seinem Rockergruß und ich bei dessen Erwiderung. Ich geh auf ein Wort zu Ihnen und Rudolphe erzählt, dass sein Fernseher gestern kaputt gegangen war und er nun ein Ersatzteil brauche. Und das von Monsieur Schmidt? Mir war nicht ganz klar… doch dann öffnete Monsieur Schmidt eine seiner Garagen. Alles voller Fernseher- alles voller alter Röhrenfernseher. Ich war fasziniert- wie in einer Zeitkapsel. Ein geheimes Röhrenfernseher und Zubehörlager in unserem Quartier. Rudolphe erzählte, dass sein neuer LCD- Fernseher das Zeitliche gesegnet hatte und er aus ner Not heraus- es gibt ja im Moment keine Möglichkeit einen neuen zu kaufen- seinen alten Röhrenfernseher wieder aktivieren möchte. Da kenne er sich mit der Technik noch gut aus und außerdem wäre in Röhrenfernseherzeiten auch die Rockmusik besser gewesen. Ich schmunzelte in mich hinein, als ich mit Bragi nach Hause lief. Alles ein bisschen aus der Zeit gefallen- in unserer Zeit des Confinements.


Bleibt gesund da draußen! Grüße vom Blauberg!

Tag 48 der Ausgangssperre

Wir wissen zwar nicht, was genau am 7. Mai in der Nationalversammlung beschlossen wird, aber gestern ist schon ein bisschen Information durchgesickert. Offiziell wurde die „crise sanitaire“, der Gesundheitsnotstand in Frankreich bis Juli verlängert. Es wird eine 14tägige Quarantäne geben, für alle, die nach Frankreich einreisen. Wie das im kleinen Grenzverkehr aussehen wird, ist noch völlig unklar. Auf Fragen zum Tourismus wurde bei einer Pressekonferenz nur sehr wage geantwortet. Eins ist sicher: wirklich locker wird es nicht werden- unser Departement Moselle im Grandest ist noch knallrot auf der offiziellen Klassifikationskarte des Gesundheitsministeriums. Der französische Staat bleibt hart und wir müssen und wollen mitziehen. Am Montag sollen die Schulen auf freiwilliger Basis wieder öffnen- gerade laufen Befragungen, wie viele Eltern das Angebot überhaupt annehmen wollen. Die Gruppen sollen nicht mehr wie 15 Kinder umfassen- Maskenpflicht soll es für die Kinder anscheinend nicht geben.

Für die Kiddies ist das Confinement ein echter Graus. Gestern hatte unser Nachbarsjunge Geburtstag. Er wurde 10. Seit nunmehr 47 Tagen sitzt er zuhause mit seinem kleinen Bruder, sein Quad hat er schon geschrottet, die Laune anbetrachts einer „KernfamilienGeburtstagsfeier“ im Keller. Julie und Eric haben ihm ein neues Fahrrad gekauft. Das war eine aufregende Sache. Paket Nummer 1 ging im ConfinementChaos vor drei Wochen „verloren“ , das zweite FahrradPaket beinhaltete nur den Rahmen und den Vorderreifen, das dritte Fahrrad kam letzte Woche Montag an und war eine Rahmengröße zu klein. Manchmal läuft es schlecht und dann kommt auch noch Pech dazu. Am Freitag kam nun endlich das richtige Fahrrad mit Vorder- und Hinterreifen, in der richtigen Größe und in wunderschönem Rot. Chic. Was Julie und Eric allerdings nicht wirklich im Blickfeld hatten, war die Tatsache, dass Loic durch das Confinement nur auf dem eigenen Grundstück fahren darf. Höchstens die Straße hoch und runter- dann ist Schluss. Es kam natürlich, wie es kommen musste. Loic stieg auf sein neues Fahrrad, fuhr die Einfahrt hoch und runter. Während wir am Zaun noch ein wenig erzählten, nutzte der Frechdachs die Gelegenheit und entwischte aus unserem Blickfeld. Naja, er ist ein richtiger Lausbub- aber ein lieber Junge. Aber heute hat er uns in Angst und Schrecken versetzt. Er war einfach verschwunden. Wir teilten uns auf, Julie und Eric Richtung Wasserturm, Sascha und ich Richtung Schule. Als wir uns der Schule näherten, sahen wir das Fahrrad auf der Wiese vorm Gebäude liegen, Loic saß unter einem der vielen Bäume vor der Schule. Er spielte mit einem Stock im Gras herum. „Mensch Loic, was machst du da?“ fragte ich ihn. „Wir suchen dich überall!“ Er schaute mich an und ich sah, dass er geweint hatte. „Bist du gefallen?“ „Nein!“ schluchzte er „Ich vermisse meine Freunde! Das ist der doofste Geburtstag, den ich je hatte!“ „Ach komm Loic, wir gehen nachhause und machen das Beste draus.“ Ich rief Julie an, und sagte, dass wir den kleinen Ausreißer gefunden hatten. Auf dem Weg zurück , die Straße runter, schob er das Fahrrad neben sich her. Vor einem blauen Haus blieb er stehen und zeigte auf ein Fenster in der obersten Etage. „Da wohnt Christophe, mein bester Freund. Den darf ich heute auch nicht sehen.“ Ich kenne Christophes Mutter- sie ist auch deutsch. Also klingelte ich kurzerhand und sprach kurz mit ihr über die Sprechanlage. Dann öffnete sich das Fenster in der oberen Etage und Christophe schaute zu uns herunter. Er winkte und rief „Salut Loic! Wie schön, dich zu sehen! Bon anniversaire! Wir feiern deinen Geburtstag nach! Wir sehen uns nächste Woche in der Schule!“ „Na klar, Christophe!“ Loics Gesicht hellte sich auf. Er lachte, setzte sich auf sein neues Fahrrad und radelte die letzten Meter nach Hause.

Wir waren froh, dass er wieder da war. Für uns gab’s dann noch ein Stück Kuchen über den Zaun. Geburtstag in CoronaZeiten- nicht nur für Kinder eine besondere Erfahrung.

Bleibt gesund! Passt auf euch auf!

Tag 46 der Ausgangssperre

Wir konnten gestern tatsächlich klären, warum unser Berg Blauberg heißt. Hier gibt es eine besondere, blau gefärbte Lehmschicht, die unserem Berg den Namen gab. Ich danke Evelyn für die nette Hilfe. Ich finde solche Zusammenhänge wahnsinnig interessant. Auf dem Foto mit der Erläuterung, die mir Evelyn schickte, befanden sich noch die alten Straßenbezeichnungen, die alten deutschen. Ein komisches Gefühl von Ringstraßen und Wegen zu lesen, die wir heute als Impasse oder Rue de Blauberg kennen.

Landkarten haben mich gestern sehr beschäftigt. Die französische Regierung hat beschlossen das ganze Land, jedes Departement nach dem Ampelsystem in verschiedene, unterschiedlich stark von Covid 19 betroffene Gebiete einzuteilen. Ein Blick auf die Karte verrät, dass die westfranzösischen Gebiete fast vollständig grün- also sicher eingeteilt wurden. Der wilde, große Osten war demgegenüber fast komplett in rot gefärbt. Schlechte Voraussetzung für die Einschulung der Kinder, schlechte Voraussetzung für das „Deconfinement“. Es sieht so aus, als würden die Ostgebiete dem Westen des Landes im Schneckentempo in Sachen Entconfinementierung folgen. Ganz langsam, Schritt für Schritt.Die Hoffnung stirbt zuletzt, denn die Regierung will jeden Tag die Zahlen auf der Karte neu beurteilen- man fragt sich, wie Eltern das machen werden. Wahrscheinlich muss jeden Morgen zuerst mal auf die Karte geschaut werden, in welchem Status sich das eigene Departement befindet- dann wird entschieden, ob es an dem entsprechenden Morgen in die Schule geht oder nicht. Die Ile de France- also die Region rund um Paris- ist genauso tiefrot wie wir- die Menschen hängen in der Luft und wissen im Moment nicht, wie sie die Füße und ihr Leben wieder auf den Boden bekommen. Es ist ohne Frage wichtig, die Regeln usw bis zum Ende der akuten Phase einzuhalten- mehr und mehr warten die Menschen auf Antworten, die wir wohl erst am 7. Mai bekommen werden. Dann wird das französische Parlament darüber entscheiden, wie es konkret weiter geht- also auch für uns hier. Bleiben wir rot, geht das Confinement weiter- Tag für Tag, bis die Zahlen so zurückgegangen sind, dass wir nicht mehr befürchten müssen, draußen direkt angesteckt zu werden.

Rudolphe, unser Rockernachbar ist jetzt schon ohne Furcht und Tadel. Er ist heute durch den Regen spaziert, mit kurzen Hosen und Badelatschen. Sein Kiss-TShirt klebte genauso an ihm, wie die langen Haare, mit denen er dem StatusQuo-Sänger Francis Rossi bis auf die letzte Strähne gleicht. Er schaute kurz zu mir herüber, als ich mit Bragi vor der Tür war. Er ist ein wenig unkonventionell und seit er Sascha mal mit einem ACDC Tour-T-Shirt gesehen hat, grüßt er uns mit dem Rockergruß- so auch heute. Ich muss lachen und grüße ihn so zurück. Vielleicht müssen wir die Situation so sehen wie Rudolphe, wir müssen es so nehmen, wie es kommt- wie das Wetter, das wir nicht beeinflussen können. Tanzen im Regen muss unser Motto sein bis alles vorbei ist.

Bis dahin bleibt gesund und Restez en bonne santé!