Tag 45 der Ausgangssperre

Warum unser Quartier Blauberg heißt? Trotz langer Recherchen kann ich euch das nicht sagen. Der Name stammt wahrscheinlich aus der Zeit um 1870, als Sarreguemines noch Saargemünd hieß. Wir wohnen in einem Haus, das in etwa aus der gleichen Zeit stammt. Es ist alt und schön, voller Geschichte und Geschichten. Fast alle Häuser hier auf dem Berg tragen ihr Erbauungsjahr im Setzstein über der Eingangstür, sie sind alt, ehrwürdig und sehr sympathisch.- ganz deutsch- französisch. Manchen Häusern sieht man an, aus welcher Phase sie stammen- zwischen 1870-1918 deutsch oder 1918-1940 französisch, bis zum Ende des Krieges 1945 deutsch und dann wieder französisch.

Als wir nach Sarreguemines zogen, waren wir voller Zuversicht, hatten aber auch Angst vor Ressentiments gegenüber uns deutschen Neuankömmlingen. Ganz ehrlich- viele Leute hatten uns vor den sturen Lothringern und ihrer Deutschenfeindlichkeit gewarnt. Wir wurden von deutschen Bekannten als Steuerflüchtlinge beschimpft, unser Umzug sehr kritisch beäugt. An so manchem Tag im Sommer 2008 hatte ich morgens Angst, dass über Nacht ein Ei an unsere Fassade geworfen worden war. Nachdem der Einzug fertig war, nahm ich mir den Mut und mein bestes Französisch und sprach meine Nachbarin an, die gerade im Garten arbeitete. Sie war klein, ihr silbernes Haar trug sie zum Dutt. Ich stellte mich vor. Sie lächelte milde, als ich sie fragte, ob sie denn auch deutsch spreche. Sie antwortete mir , sie spreche immer deutsch. Außerdem würde sie auch nur deutsches Fernsehen schauen, weil bei den Franzosen immer Quatsch zu sehen wäre. Sie fragte mich, woher wir kommen, dass das Haus so schön wäre und sie sich über nette Nachbarschaft freute.
Wir sahen uns an den folgenden Tagen immer öfter und (zu dem Zeitpunkt rauchte ich noch) genossen unsere Zigaretten beim gemeinsamen Abendplausch. Sie sprach vom Aspirateur, den sie nicht mehr so gut führen konnte und wie froh sie war, dass ihr Enkel bei ihr lebte. Pierre war etwa in unserem Alter und kümmerte sich rührend um seine Großmutter. Eines Abends, ich saß auf unserer Treppe und Madame König saß nur etwa 4 Meter von mir auf ihrer kleinen Terrasse vor ihrer Haustür, da begann sie zu erzählen- von früher. Sie erzählte, dass sie nach dem Krieg- etwa 1946/47 mit ihrer Mutter in Saarbrücken zum Einkaufen war. Der Winter war hart und die „Königskinder“ brauchten warme Mäntel. Als sie die schwer bewachte Grenze zwischen Sarreguemines und Hanweiler passierten, wurden sie von französischen Grenzern angehalten und zwei Stunden warten gelassen, danach befragt, was sie denn genau gekauft hätten. Immer wieder stellte der französische Grenzer die Frage nach dem Warum… Warum sie in Saarbrücken und nicht in Frankreich eingekauft hätten. Frau Königs Mutter kam in große Bedrängnis- nach Jahren deutscher Besatzung war ihr Französisch schlecht und Frau König selbst hatte bis zum Ende des Krieges- sie war 8 Jahre alt- nur deutsch gelernt und gesprochen- die Repressalien waren hart. Schließlich durften sie gehen- mit dem Hinweis, dass sie jetzt Franzosen seien und dass sie in Zukunft in Frankreich einkaufen sollten. Frau König schmunzelte. Was der Zöllner bei der Durchsuchung übersehen hatte, war ein Buch in einer Seitentasche ihrer Mutter. Stolz stand sie auf, legte ihre Zigarette in den Aschenbecher verschwand kurz hinter ihrer Haustür. Nur eine Minute später war sie wieder da- ein zerfleddertes Buch in der Hand- die Struwwelliese. Das ist das Buch! Kennst du das? Ich habe es immer noch, als Erinnerung an meine Mutter und die schweren Zeiten nach dem Krieg mit all den Grenzen und Kontrollen, damit wir in unseren guten Zeiten nicht vergessen, wie es früher einmal hier war. Was wir Lothringer, wir Saargemünder erdulden mussten- von beiden Seiten. Das darf man nicht vergessen! Frau König hatte Tränen in den Augen. Sie nahm ihre Zigarette, die schon fast abgebrannt war und verabschiedete sich in die Nacht.

Frau König lebt nicht mehr, aber wenn ich die Struwwelliese in meinem Bücherregal stehen sehe, muss ich an sie denken. Heute mehr denn je- mitten im Confinement. Bleibt gesund und genießt den Maifeiertag!

Tag 44 der Ausgangssperre

🇨🇵 🇩🇪 Bei schönem Wetter fällt es mir besonders schwer bei der täglichen Hunderunde den 1 km Radius um unser Zuhause einzuhalten, darum ist nicht nur die Natur froh um den Regen da draußen. In unserem 1 KilometerBewegungsradius liegt, zwischen der Rue des Myosotis und der Rue de la Montagne das alte Hospital von Sarreguemines. Es thront über der Stadt mit all den Türmchen und Verzierungen wie ein verwunschenes Schloss, das längst in einen DornröschenSchlaf gefallen ist. Eines der schönsten Gebäude von Saargemünd.
Als wir hierher zogen, war es gerade „außer Betrieb“ gesetzt worden. Überall standen Kartons mit medizinischem Gerät, riesige Umzugswagen wurden gepackt, um die medizinische Ausrüstung zum neuen Krankenhaus Robert Pax zu bringen. Nach fast 140 Jahren hatte das alte Gebäude seinen Dienst erfüllt. Zunächst wurde es still um den beeindruckenden Jugendstilbau. Doch dann fassten die Eigentümer den Entschluss, das alte Krankenhaus weiter zu nutzen- zuerst fand eine Schulkantine ihren Platz darin, dann ein Service der Stadtverwaltung, der Hubschrauberlandeplatz wurde in Baugrundstücke umfunktioniert bis dann die Entscheidung fiel Wohneinheiten zu schaffen. Ich frage mich immer, wenn ich mit dem Hund dort vorbeigehe, wie es sich darin leben lässt. Hinter diesen dicken Mauern hat sich viel Leben ereignet, sind aber auch viele dramatische Sachen passiert- 1918 grassierte hier in Saargemünd die letzte Pandemie- die spanische Grippe. Der deutsche Schriftsteller Alfred Döblin war zu der Zeit hier Militärarzt. Das Krankenhaus war damals im Zentrum des Geschehens. Ich weiß nicht, ob ich darin Leben könnte- wahrscheinlich würde ich jede Nacht wach liegen.
Vor ein paar Jahren wollten wir mal „anders“ Silvester feiern. Wir waren wie so viele andere Saargeminner in der Neujahrsnacht zur alten Schlossruine über der Stadt gefahren, weil man von dort einen schönen Ausblick über Saargemünd hat. Kamera und Sekt in der Tasche, hatten wir frühzeitig einen guten Platz ergattert- vorne an der Mauer- schön deutsch- schon um 23.30 Uhr. Doch während wir warteten, zog der Nebel im Saartal herauf und nix war mehr mit unserer schönen Aussicht auf die Stadt mit dem tollen Feuerwerk. Wir warteten und warteten, doch die Sicht wurde immer schlechter, der Nebel immer dichter. Um 23.55 Uhr saßen wir wieder im Auto und wollten schnell nachhause, um dort gemeinsam auf das neue Jahr anzustoßen. Ich fuhr wie ein Henker, um rechtzeitig zuhause zu sein, aber dann kamen die 0 Uhr Nachrichten im Radio. Ich stoppte, wir wünschten uns noch im Auto ein frohes neues Jahr- da klopfte es an unser Autofenster. Ich habe mich noch nie so erschrocken. Da standen Julie und Erik, die Beiden wollten nur schnell von einer Party in der Stadt nachhause- sie hatten ihre Feuerwerkskörper zu hause vergessen. Sie hatten sich dabei aber -genauso wie wir- in der Zeit verschätzt und waren nun wie wir am alten, verlassenen Hospital gestrandet. Wir stiegen aus, wünschten uns ein „Bonne Année!“, ließen den Wagen stehen und schlenderten gemeinsam nachhause. Unterwegs trafen wir fast alle unsere Nachbarn auf der Straße, wir stießen zusammen an, verteilten unzählige Bises, die besonderen französischen Umarmungsküsse, und hatten eine der schönsten SilvesterStraßenParties meines Lebens.

Das Auto wollte ich am Neujahrstag abholen. Da stand gerade die Police bei meinem kleinen Flitzer vor dem alten Hospital und ich sah, dass ich im Halteverbot geparkt hatte. Mist, ein PV von 25€. Ich sprach die Polizisten an, wünschte ein Bonne annee und erklärte die Situation. Sie lachten und einer von ihnen nahm den PV von meiner Windschutzscheibe. Er meinte, das wären dann ja besondere Umstände gewesen und daher zu entschuldigen. Er lächelt bis heute, wenn er mich aus dem PoliceAuto heraus sieht- wie gestern wieder, mit Klara und Bragi- am alten Hospital.


Also passt gut auf wo ihr parkt 🙂 Bleibt gesund!

Tag 42 der Ausgangssperre

Und dann kommt diese Nachricht. Die Nachricht auf die wir jetzt schon einige Wochen warten. Eine Nachricht, über die wir uns sehr freuen. Unsere Nachbarin Louise ist auf dem Weg der Besserung. Zwischen all diesem CoronaWahnsinn, dem harten Confinement, der strengen Ausgangssperre -ein Lichtblick- und die Sicherheit, dass all diese Entbehrungen Sinn machen. Nach fast 4 Wochen künstlichen Koma am Beatmungsgerät , langsamem Aufwachen, kommt Luise nun endlich auf eine normale Station. Die lange Zeit mit COVID-19 wird sie ein Leben lang begleiten. Sie wird alles neu lernen müssen, sogar das Laufen. Stück für Stück wird sie zurückkommen ins Leben, zurückkommen in unsere Straße.

Als wir vorige Woche ein Auto der Stadtverwaltung in ihrer Einfahrt gesehen haben, fürchteten wir das Schlimmste. Wir wissen, dass nach dem Tod eines COVID-19 Patienten die Wohnungen desinfiziert und alle Sachen verbrannt werden. Wir bangten um Louise, ihr Bruder hatte wenig Hoffnung. Doch jetzt die Wende- es wird ein harter Weg zurück, aber sie ist zäh.

Als wir hierher gezogen sind, lebte Louises Mutter noch. Die alte Frau winkte mir oft aus dem Obergeschoss darüber, wenn ich an meinem Schreibtisch saß und arbeitete. Manchmal spät abends, wenn nur noch meine Schreibtischlampe bei uns brannte. Was ich erst spät erfahren habe, war die Tatsache, dass ich eine Leidenschaft mit dieser alten Frau teilte.. Sie liebte ihre Sprache, sie liebt ihr „Francique“. Sie war die erste, die ein Wörterbuch Französisch- Francique verfasste. Leider habe ich das zu spät erfahren- da war sie schon nicht mehr unter uns. Wir hätten uns sicher viel zu erzählen gehabt. Dieses Francique kann manchmal sehr lustig klingen, und in ihm werden auch manche Begriffe, die wir Deutsche kaum verwenden zu skurrilen Alltagsausdrücken geformt.

Er wohnt zwar nicht in unserer Straße, er wohnt auch nicht in unserem Quartier, aber trotzdem sehen wir ihn so oft an unserem Haus vorbeispazieren. Der skurrile CollieMann. Wir wissen nicht wie er heißt, wir kennen seinen silbernen Wagen, der behängt ist mit Wimpeln, beklebt mit CollieAufklebern.Es traf sich, dass wir gestern mit unseren Fellnasen vor der Haustür waren und der etwas verrückte CollieMann mitsamt Hunden vorbeischlenderte. Er blieb kurz stehen, erzählte zum hundertsten Mal, wo er den Rüden her hat . „Aus Deutschland!“, sagt er wieder ganz stolz. Er spricht oft sehr wirres Zeug. Ich verstehe nicht immer was er sagt, aber gestern musste ich mich schnell ins Haus flüchten, weil ich das Unheil nahen sah. Sascha hat den Ernst der Lage nicht ganz erfasst und blieb beim CollieMann stehen. Der nun, nahm die Schnauze seines Hundes in die Hand, zog den Armen nach oben über unseren Zaun und hielt so den ganzen Hund hoch. Der arme Collie wusste gar nicht wie ihm geschah und der CollieMann sagte zu Sascha: „Hot er ned kee scheenie Frotz? E scheenie eine Frotze hot er, odder?“ Sascha blieb wie angewurzelt stehen, die volle Wucht des Ausdrucks hatte ihn getroffen. Wahrscheinlich hoffte er, die Zeit müsse stehen bleiben, während er versuchte krampfhaft seine aus Lachen und Entsetzen zu unterdrücken. Aber der CollieMann sah ihn ganz ernst ihn an, ganz fragend nach dieser Fratze. Das Wort klang immer noch durch die Stille des Confinements. Sascha quetschte ein „Ja ja!“ heraus. Unser CollieMann war zufrieden und ging seiner Wege. Sascha war erlöst. Ich stand hinter dem Fenster und musste so lachen. Fratze habe ich in diesem Zusammenhang noch nie gehört. Und ich werde es in diesem Zusammenhang wohl auch nie wieder hören außer von Collie Mann. Louises Mutter hätte sich sicher für den Ausdruck interessiert. Er hätte sicher Einzug in ihr WörterBuch gehalten.

Also passt auf euch auf heute am mardi, dem da Nom menda un mache kenn schisse mit de Chose, die affichiert sin! Hallen eich dran.

Tag 40 der Ausgangssperre

So viel Wert Franzosen auf Essen, Einrichtung, Klamotten und Geselligkeit legen, so ungewöhnlich ist ihr Verhältnis auch zum Auto. Beim Auto ist es so: jede Menge PS , klein und frech muss es sein und möglichst ein ganzes Leben lang halten. Ganz ehrlich, in der Beziehung passen wir wirklich gut hierher. Unsere Autos müssen uns von A nach B bringen, die Hunde befördern können und ansonsten einfach ruhig vor der Tür stehen. Wir haben das Glück, dass in unserer Straße das Prinzip der Gegenseitigkeit herrscht und deshalb unsere Autos immer wieder den Weg in die Garage unseres Nachbarn finden. Raphael ist ein wirklich guter Automechaniker und wenn er umgekehrt was zu basteln hat, dann hilft ihm Sascha.

Bei einem unserer Nachbarn bekommt der Begriff „Autoschieber“ wieder seine ursprüngliche Bedeutung. Er schiebt tatsächlich jeden Morgen und das seit etwa vier Monaten- sein Auto an. Nicht, dass jemand das Auto anschiebt und einer sitzt drin- nein, er ist von der flinken Sorte: Monsieur Martelle schiebt den leeren Peugeot 407 bei geöffneter Fahrertür durch unsere Straße bis zum kleinen Platz, an dem die abschüssigste Straße des Quartiers beginnt. Ist das Auto dann im Rollen springt er durch die geöffnete Fahrertür in das silberne Auto , lässt den zweiten Gang kommen und siehe da- das Auto springt an. Noch eine Runde um den Block und er fährt zu Arbeit. Wie oft hat ihm Raphael (er wohnt direkt neben ihm) schon Hilfe angeboten- er möchte keine. Manchmal ist jemand auf der Straße und sieht, dass er alleine das Auto schiebt. Klar hilft man dann. So wird die Anschieberei manchmal zur morgendlichen Gruppenveranstaltung, die Bragi und Klara von unserem Balkon aus verwundert beobachten.

Ich hatte mal mit 19 eine lustige Begegnung auf dem Autobahn Rastplatz in Waldmohr. Damals war eine Freundin mit mir unterwegs und wir haben einen VW Bulli, der eigentlich ein „Eismännchen“ war, angeschoben. Ich saß damals im Bulli- der der Eisverkäufer und meine Freundin schoben an, ich ließ jetzt den zweiten Gang kommen und dann sprang dieser Bulli auch wieder an. Die Belohnung war ein gigantisches Vanilleeis. Ich muss immer daran denken, wenn ich Monsieur Martelle und sein Auto sehe.

In unserer Straße ist jeder total Auto verrückt. Es gibt bis auf uns niemanden, der nicht mindestens drei Autos besitzt. Also KFZ-Steuer gibt es in Frankreich nicht und die Versicherung ist auch relativ günstig, außerdem braucht gefühlt jeder Franzose einen Lieferwagen. Wir haben uns da angepasst mit unserem alten Berlingo und unserem kleinen Ka. Der Berlingo stammt aus Deutschland, aber der Ka war schon immer ein kleines aggressives französisches Auto mit Vollausstattung von 2004. Sascha muss sich immer hineinfalten. Er wurde vorher von einer 83-jährigen Französin gefahren, die nach dem letzten Unfall beschlossen hatte, dass nun endlich Schluss sein müsste mit der Autofahrerei. Beim Verkauf war es ihr besonders wichtig zu sagen, dass der Ka sehr gut rennt.90 PS, von einer Französin eingefahren, der geht ab wie Schmidts Katz. Wirklich begehrt ist aber unser Berlingo. Zwei Straßen weiter wohnt ein Nachbar, der mir schon bestimmt fünf mal angeboten hat das Auto zu kaufen. Aber wir geben unseren Berlingo nicht her beziehungsweise nicht freiwillig. Vor ein paar Wochen begab es sich, dass zwei zwielichtige Gestalten den Berlingo stehlen wollten. Wir konnten das nach lauter Bellerei von Bragi verhindern. Als wir das unseren Nachbarn erzählten, kam heraus, dass die zwei Autodiebe zuvor bei Monsieur Martelle am Werk waren- aber das Anschieben war ihnen wohl zu viel.

Passt gut auf euch auf! Genießt den schönen Sonntag und bleibt gesund!

Tag 37 der Ausgangssperre

Ob Baguette maison, Baguette ancienne oder einfach nur ein Baguette bienfait  -um das Nationalheiligtum der Franzosen ranken sich auch in unserem Quartier lustige Geschichten. Natürlich gibt es neben dem Baguette, dem Rotwein und dem Eiffelturm noch andere nationale Symbole, aber das Baguette- seine Bedeutung kann nicht überschätzt werden.

Ihr könnt euch sicher denken, dass wir nicht die einzigen Deutschen hier im Quartier sind. Es ist so, dass wir etwa zehn deutsche Familien hier oben auf unserem blauen Berg haben. Eine davon ist die von Christian. Er kommt aus Hamburg und ist wie Sascha Grenzgänger. Er arbeitet bei ZF in Saarbrücken. Genau wie wir alle ist er vom Confinement betroffen.  Christian ist der französischen Sprache kaum mächtig, kann nur wenige Worte, hält es auch nicht für zwingend notwendig die Sprachkenntnisse auszubauen. „Immerhin reden hier sehr viele Leute mit uns deutsch“, sagt er immer, wenn ich ihn darauf anspreche. Seiner Meinung nach kommt man also auch ohne Französisch oder mit sehr wenig Französischkenntnissen durch’s Leben. Für uns sieht das anders aus. Französisch ist für uns die Grundlage dafür, hier zuhause zu sein. Klar ist das am Anfang nicht einfach, aber die Sprache des Gastlandes zu lernen ist für mich mehr als nur ein Gebot der Höflichkeit. 

Wenn Sascha morgens zur Bäckerei geht, dann trifft er Christian regelmäßig- so auch gestern. Ich weiß, dass Christians Frau gerne die Schneckennudeln aus dieser Bäckerei ist. Die junge Frau des Bäckers spricht kaum deutsch, also war Christian gezwungen eine Schneckennudel in französisch zu bestellen. (Ich hoffe ihr wisst alle was das ist, eine Hefeschnecke die mit Schokoladenpulver und manchmal auch mit Rosinen gefüllt ist). Voller Inbrunst und Selbstsicherheit gibt Christian die Bestellung auf. Was Christian aber nicht wusste, war die Tatsache, dass er keine Schnecke bestellt hat. Er steht an der Theke und bestellt Schnitzel. Die beiden Wörter ähneln sich: „Escargot“ für Schnecke und „Escalope“ für Schnitzel. Und Christian bestellt eben jeden Morgen ein Schnitzel für seine Frau. Die Bäckersfrau lächelt ihn immer freundlich an, sie korrigiert ihn nicht, sondern hält sich höflich zurück und gibt ihm die Schnecke.

Sascha erzählt mir das Ganze natürlich mit einem riesigen Grinsen auf dem Gesicht. Und dann fällt mir auf dass er mal wieder zwei Baguette gekauft hat. Ihr fragt euch jetzt warum kauft er immer zwei Baguette? Die Antwort liegt auch im Französischen begründet. Sascha kann sich seit Jahren einfach nicht merken, ob es „un“ oder „une“ Baguette heißt. So haben wir immer ein Baguette im Gefrierschrank – nur für den Fall, dass wir uns mal ein Schnitzel-Baguette machen wollen. 😉

Bleibt gesund! 

Tag 36 der Ausgangssperre

Vielleicht kennt ihr das auch. Wenn man nicht rauskann wie man will, dann entsteht ein unbändiges Bedürfnis nach draußen zu gehen. Wenn Irene in normalen Zeiten tagtäglich an unserem Haus vorbei joggt, bekomme ich manchmal ein richtig schlechtes Gewissen, weil ich so unsportlich bin. Sogar im Confinement joggt sie-  im Umkreis von 1km für ca. eine Stunde täglich. Immer die gleiche Runde um den Block. Irene ist 42 Jahre alt. Sie wohnt nicht in unserer direkten Nachbarschaft, aber in unmittelbarer Nähe. Unterhalb unserer Straße beginnt das Biberviertel, das Quartier Castor. Da wurden in den fünfziger und sechziger Jahren kleine Reihenhaussiedlungen in den Hang gebaut. Kleiner Garten, und meistens auch eine kleine Garage, in die wahrscheinlich immer nur ein kleiner Peugeot 504 passen sollte. Vor ein paar Jahren, ich war gerade mit unseren alten Rüden Rocky unterwegs, stolperte ich vor so einem süßen kleinen Haus und schürfte mir das Knie auf. Irene sah das von drinnen, kam sofort zu mir heraus und sah sich das ganze Malheur an. Sie half mir wieder auf die Beine. Seitdem kennen wir uns. Sie arbeitet als Krankenschwester im saargemünder Krankenhaus. Während diesen Corona Zeiten zählt ihr Beruf also zu den systemrelevanten Berufen. Ich finde den Ausdruck sehr technisch, man könnte auch sagen, sie gehört zu denen, die den Kranken hilft zu gesunde, ihnen hilft weiter zu leben und die Hinterbliebenen in den Arm nimmt. Sie ist also für viele Menschen lebensnotwendig. Wenn ich sie so ansehe- immer mit einem Lächeln im Gesicht- erinnert sich mich an jemanden, dem ich vor ein paar Jahren- als wir noch in Deutschland wohnten-  begegnet bin:

Viele von uns kennen die Geschichte vom hässlichen Entlein das zum schönen Schwan wird. Oft verhält es sich ähnlich mit Schülern die mit schlechten Noten zu mir kommen, dann doch ihren eigenen Weg finden und Erfolg haben. Die Noten sagen eben nichts darüber aus, welche „Art Mensch“ man ist. Eine der überraschendsten Entwicklungen machte eine junge Dame durch, die vor circa 16 Jahren das erste Mal mit mir lernte. Sie hatte wirklich keine Lust auf Schule- Mathe war ihr ein Graus. Wir haben viel miteinander gelernt, sie fasste immer mehr Mut und schaffte letzthin auch ihren Realschulabschluss. Danach ergriff sie den Beruf ihrer Träume. Sie wurde Krankenschwester. Ich bin über Facebook immer noch mit ihr verknüpft und bewundere sie für ihren Durchhaltewillen, den sie nicht nur bei ihren sportlichen Aktivitäten, bei ihren Gewichthebe-Aktionen oder anderen CrossFit Meisterleistungen zeigt. Am meisten bewundere ich Anna für Ihr Engagement in ihrem Beruf. Sie ist mittlerweile IntensivKrankenschwester in meinem Geburtskrankenhaus und leistet gerade jetzt unglaubliche Arbeit. Vielen Dank Anna!

Bleibt gesund da draußen! Reste en bonne sante!

Tag 35 der Ausgangssperre

Das Confinement schlägt nicht nur uns Menschen zeitweise aufs Gemüt, es betrifft auch unsere Tiere. In unserer Straße wohnen neben unseren berühmt- berüchtigten Schäferhunden Bragi und Klara, der tollpatschige Labrador Ypsso, die Welsh Corgies Merlin, Chaka, Tobi und Mary, der Australien Shepherd Edi, der junge ungestüme Bobtail Anka und der König der Straße, ein weißer Königspudel namens Andi, wobei das A von Andi eigentlich wie ein O klingt. Sein Frauchen wird nicht müde seine astreine deutsche Herkunft zu betonen und empfiehlt mir immer wieder den besten Hundefriseur Deutschlands in Mainz- ganze 160 Kilometer, die sich ihrer Ansicht nach auch für unsere Schäferhunde lohnen würden.  Ganz entrüstet hat sie mir erzählt, dass es sie erbost, auf unserem Ausgangsschein keine Option für den Gang zum Hundefriseur zu finden. Andi hat seine Menschen also gut im Griff, sie sorgen in normalen Zeiten dafür, dass die Frisur sitzt und der riesige Pudel nicht ins hohe Auto springen muss. Monsieur Schmidt, sein Besitzer ist ein hagerer, großer Mann und er hebt seinen perfekt gestylten Hund immer ganz vorsichtig in das Führerhaus seines Lieferwagens. Dort sitzt er dann stolz zwischen Herrchen und Frauchen und blickt auf das hündische Fußvolk herunter, das selbst laufen muss. 

Aber nicht nur die Hunde regt das Confinement zu außergewöhnlichem Verhalten an. Die Nachbarshasen durften zwar von ihrer ersten Confinementbehausung im Gewächshaus von Julie  in ein Freigehege wechseln, ergriffen jedoch bei erster Gelegenheit ohne Ausgangserlaubnis die Möglichkeit zur Flucht. So kam es gestern zur wilden Haseneinfangaktion in den Gärten ringsum. Lapidou war schnell gefunden, aber die Tränen flossen bei Julies beiden Söhnen, weil Chocolat schier unauffindbar war. Wir Erwachsenen stellten schon Überlegungen an, dass ihn ein Mader oder ein anderes Wildtier verspeist haben könnte, als der befreiende Schrei von dem kleinen 4-jährigen Pascal kam, dass Chocolat ganz versteckt hinter dem Gewächshaus kauerte- eine Regenjacke später befanden sich die Ausreißer wieder im Freigehege in Sicherheit. Die Kinder waren froh und ich wegen eines Hasens noch nie so glücklich gewesen. Für die Zwei sind die Hasen – sie haben keine anderen Tiere- so wichtig geworden, die morgendliche Fütterung gehört für sie im Confinement zum Ritual. Etwas was sich gerade jetzt nicht ändern darf.

Lapidou und Chocolat

Passt auf euch auf und bleibt gesund! Bonne Journée à tous!

Tag 29 der Ausgangssperre

Die Sonne lacht, aber der Wind ist kühl. Als ich bei der Hunderunde über die Rue Chateau d’eau spaziere, öffnet sich die schwere eherne Haustür der Nummer 108. Aus dem Haus kommt Monsieur Heusler und grüßt mich kurz mit einem kräftigen deutschen „Guten Morgen!“. Er ist Mitte 60 und lebt allein in diesem großen Haus, dass am Ende der Straße, kurz vor einem kleinen Platz steht. Seine Schutzmaske baumelt ihm um den Hals und er wartet bis ich mit Klara vorüber bin. Monsieur Heusler ist in unserer Straße berühmt berüchtigt. Entweder man nennt ihn den „Deutschen vom Eck“ oder einfach „Parkplatzwächter“. Ohne jemals eine Aufgabe bei der Police oder Gendarmerie gehabt zu haben- er war früher Trockenbauer- fühlt er sich zu Höherem berufen. Er liebt es, die Autos der Straßenbewohner und damit natürlich den ruhenden Verkehr, zu beobachten. Weder eine abgelaufene Controle technique (frz. TüV), noch ein zuweit in der Straße geparktes Auto entgeht seinem Adlerauge. Wegen seiner Anzeigen bei der Police, ist es hier schon zu jeder Menge Streit gekommen- Gottseidank ging der, durch die entspannte Gemütslage der Nachbarschaft, immer glimpflich aus. Und selbst heute hat er was auszusetzen. Ich höre ihn hinter mir schimpfen, über Hundebesitzer (natürlich meint er mich), auf Ausländer (er hat vergessen, dass er deutsch ist und in Frankreich wohnt), Mütter mit Kinderwagen und … den Rest hab ich auf die Entfernung nicht verstanden. Er schimpft also immer noch…auch etwas , das sich nicht verändert…. im Confinement.

Wir haben uns vom Schock der MacronRede erholt. Danke für eure Ermutigungen. Leider sind unsere Masken immer noch nicht da- im Nachbarort, hatte da jemand nach ein paar Wochen Lieferzeit schon mehr Glück. Allerdings kam heute ein verspätetes Oster-Care-Paket aus Kübelberg an. Wir haben uns sehr gefreut. Wenigstens kann ich meinen Kummer wegen des Confinements jetzt mit Schokolade ersticken. 😉 Bleibt gesund und esst nicht so viel Süßes wie ich! Sonst müssen wir alle nach der Ausgangssperre in die Trimm-Dich-2020-Bewegung einsteigen!

Tag 2 der Ausgangssperre

🇫🇷😳👀Zu dem Formular, das die Deutschen zum Grenzüberschritt verlangen, dem französischen Formular für unvermeidbare Ausgänge (Hund, Arztbesuche, Pflege von Angehörigen usw.), gesellt sich jetzt ein drittes Formular von französischer Seite, das vom Arbeitgeber ausgefüllt werden muss. Darin bestätigt der Arbeitgeber, dass der ausgeübte Beruf nicht in „teletravail“ ausgeführt werden kann und man deshalb fahren muss. 
Da entstehen schon wieder Schwierigkeiten… deutsche Arbeitgeber und französisches Formular …. Aber die schaffen das auch noch 😉 👀🇫🇷🤔

Ansonsten ist die Lage ruhig. Unsere Hunde sind erkennbar ruhiger- vielleicht weil es draußen auch so ruhig ist. 

Ironie an *Man müsste in Saarbrücken am Staden leben- da geht noch die Party ab* Ironie aus

Bleibt zuhause und gesund da draußen 👋