Tag 44 der Ausgangssperre

🇨🇵 🇩🇪 Bei schönem Wetter fällt es mir besonders schwer bei der täglichen Hunderunde den 1 km Radius um unser Zuhause einzuhalten, darum ist nicht nur die Natur froh um den Regen da draußen. In unserem 1 KilometerBewegungsradius liegt, zwischen der Rue des Myosotis und der Rue de la Montagne das alte Hospital von Sarreguemines. Es thront über der Stadt mit all den Türmchen und Verzierungen wie ein verwunschenes Schloss, das längst in einen DornröschenSchlaf gefallen ist. Eines der schönsten Gebäude von Saargemünd.
Als wir hierher zogen, war es gerade „außer Betrieb“ gesetzt worden. Überall standen Kartons mit medizinischem Gerät, riesige Umzugswagen wurden gepackt, um die medizinische Ausrüstung zum neuen Krankenhaus Robert Pax zu bringen. Nach fast 140 Jahren hatte das alte Gebäude seinen Dienst erfüllt. Zunächst wurde es still um den beeindruckenden Jugendstilbau. Doch dann fassten die Eigentümer den Entschluss, das alte Krankenhaus weiter zu nutzen- zuerst fand eine Schulkantine ihren Platz darin, dann ein Service der Stadtverwaltung, der Hubschrauberlandeplatz wurde in Baugrundstücke umfunktioniert bis dann die Entscheidung fiel Wohneinheiten zu schaffen. Ich frage mich immer, wenn ich mit dem Hund dort vorbeigehe, wie es sich darin leben lässt. Hinter diesen dicken Mauern hat sich viel Leben ereignet, sind aber auch viele dramatische Sachen passiert- 1918 grassierte hier in Saargemünd die letzte Pandemie- die spanische Grippe. Der deutsche Schriftsteller Alfred Döblin war zu der Zeit hier Militärarzt. Das Krankenhaus war damals im Zentrum des Geschehens. Ich weiß nicht, ob ich darin Leben könnte- wahrscheinlich würde ich jede Nacht wach liegen.
Vor ein paar Jahren wollten wir mal „anders“ Silvester feiern. Wir waren wie so viele andere Saargeminner in der Neujahrsnacht zur alten Schlossruine über der Stadt gefahren, weil man von dort einen schönen Ausblick über Saargemünd hat. Kamera und Sekt in der Tasche, hatten wir frühzeitig einen guten Platz ergattert- vorne an der Mauer- schön deutsch- schon um 23.30 Uhr. Doch während wir warteten, zog der Nebel im Saartal herauf und nix war mehr mit unserer schönen Aussicht auf die Stadt mit dem tollen Feuerwerk. Wir warteten und warteten, doch die Sicht wurde immer schlechter, der Nebel immer dichter. Um 23.55 Uhr saßen wir wieder im Auto und wollten schnell nachhause, um dort gemeinsam auf das neue Jahr anzustoßen. Ich fuhr wie ein Henker, um rechtzeitig zuhause zu sein, aber dann kamen die 0 Uhr Nachrichten im Radio. Ich stoppte, wir wünschten uns noch im Auto ein frohes neues Jahr- da klopfte es an unser Autofenster. Ich habe mich noch nie so erschrocken. Da standen Julie und Erik, die Beiden wollten nur schnell von einer Party in der Stadt nachhause- sie hatten ihre Feuerwerkskörper zu hause vergessen. Sie hatten sich dabei aber -genauso wie wir- in der Zeit verschätzt und waren nun wie wir am alten, verlassenen Hospital gestrandet. Wir stiegen aus, wünschten uns ein „Bonne Année!“, ließen den Wagen stehen und schlenderten gemeinsam nachhause. Unterwegs trafen wir fast alle unsere Nachbarn auf der Straße, wir stießen zusammen an, verteilten unzählige Bises, die besonderen französischen Umarmungsküsse, und hatten eine der schönsten SilvesterStraßenParties meines Lebens.

Das Auto wollte ich am Neujahrstag abholen. Da stand gerade die Police bei meinem kleinen Flitzer vor dem alten Hospital und ich sah, dass ich im Halteverbot geparkt hatte. Mist, ein PV von 25€. Ich sprach die Polizisten an, wünschte ein Bonne annee und erklärte die Situation. Sie lachten und einer von ihnen nahm den PV von meiner Windschutzscheibe. Er meinte, das wären dann ja besondere Umstände gewesen und daher zu entschuldigen. Er lächelt bis heute, wenn er mich aus dem PoliceAuto heraus sieht- wie gestern wieder, mit Klara und Bragi- am alten Hospital.


Also passt gut auf wo ihr parkt 🙂 Bleibt gesund!

Tag 30 der Ausgangssperre

🇫🇷🇩🇪Gestern ging am Bahnhof von Sarreguemines Ungewöhnliches vor. Normalerweise betritt man den Gare de Sarreguemines, um in einen Zug zu nehmen oder in die Saarbahn einzusteigen und dann nach Saarbrücken, Richtung Metz oder Richtung Strasbourg zu fahren. Gestern wurde der Bahnhof ab 17 Uhr umfunktioniert. Auf dem Bahnsteig, auf dem sonst Passagiere auf ihre Züge warten, hatte die Bauerngenossenschaft „La Ruche qui dit oui“ ihre Waren aufgebaut. Bereits am Vorabend wurden per Email Abholnummern an die OnlineBesteller verschickt und ein AbholZeitfenster genannt. 80 Besteller gab es anscheinend- ich war die Nummer 6 und ich durfte zwischen 17.45 und 18 Uhr zur Verteilstelle kommen. Diese Initiative und die Verteilung in Sarreguemines ist eine direkte Reaktion auf das Confinement. Und was soll ich sagen: Es klappte prima! Als ich dran war, nannte ich meine Nummer und schon landete das Wurst- und Fleischpaket in meinem Einkaufskorb, in meinem Panier. Ein paar Schritte weiter wurde frische Milch ausgegeben und nochmal ein paar Schritte weiter wartete das Obst und Gemüse darauf von den Kunden mitgenommen zu werden. An jeder Station ein netter Bauer oder eine nette Bäuerin, die die leckeren Sachen in Eigenproduktion herstellt. Und was soll ich sagen- ich bekam endlich Eier- und jetzt sogar die guten, die von glücklichen Hühnern sozusagen direkt in den grauen Eierkarton gelegt wurden. Wenn man über eine Woche nach Eiern sucht, sehen sie wirklich golden aus. 😉 Und was erinnerte an das Confinement? Die Polizei, die mit prüfendem Blick, ganz langsam an der Schlange der Wartenden vorbeifuhr. Aber wir standen alle in gebührendem Abstand, viele trugen Masken. Alles gut.

Während der Verteilung von „La Ruche qui dit oui“ fuhr einer der letzten Nahverkehrszüge der französischen SNCF ein. Auf seinem Display stand „Terminus du Train“ – Ich las die Worte immer noch ungläubig. Und da war er wieder, der Gedanke an die geschlossene Grenze, mitten in Europa, „Endstation Saargemünd“. Das entspricht so gar nicht dem Charakter von Sarreguemines- das passt nicht zu unserer kleinen, vitalen Stadt hier an der deutsch-französischen Grenze. Sie hat diese Bezeichnung nicht verdient- mit ihren wunderbaren Initiativen, den tollen Quartiers und ihren herzlichen Saargemündern. Bis zum 11. Mai ist es noch lang, aber all unsere Hoffnung liegt darin, dass es dann langsam besser werden wird
Und wenn die Zeit des Confinements vorbei ist, dann müsst ihr euch unsere Stadt mal anschauen- ihr werdet von ihrem Charme begeistert sein!🇫🇷

Bleibt gesund!