Tag 49 der Ausgangssperre

Also noch bis mindestens 15. Mai sollen die Grenzen für die „NichtGrenzgänger“ geschlossen bleiben. Aber was nützen einem die pendleroffenen Grenzen, wenn die Leute nicht zur Arbeit gerufen werden. Also bleiben wir in unserem beschaulichen Sarreguemines. In Sarreguemines, genauer gesagt auf unserem Blauberg, dort wo die Straße vom Place des Fleurs in die Rue de la Foret abbiegt, liegt auf der linken Seite die Rue des Oeillets, die Nelkenstraße. Die Nelkenstraße ist eine ganz besondere Straße- wir nennen sie die „Phantomstraße“. An ihr stehen keine Häuser, kein Trottoir führt an ihr entlang. Madame Destin wohnt gegenüber der Einfahrt in die Rue des Oeillets, wenn sie aus dem Fenster schaut, dann sieht sie in eine eine große Wiese- die Rue des Oeillets. Auf den Stadtkarten, auch bei Google Maps ist die Rue des Oeillets eingezeichnet, doch sie existiert in der Realität nicht. Nur Gras- unsere Hunderennwiese.

 
Was so alles in Straßenkarten eingezeichnet ist… Ich sehe dort regelmäßig Madame Laporte und Monsieur Gaston mit ihren Hunden. Die zwei leben alleine, treffen sich regelmäßig zur Hunderunde und treffen dabei immer wieder auf mich und meinen schwarzen Rabauken. Mme Laporte sieht Bragis Gebell eher lässig, der nette Monsieur Gaston hat eher Angst um seinen kleinen Pinscher. Saschas scherzhafte Bemerkung, der wäre ein gutes Frühstück für unseren Schäfer trug gestern eher nicht zur Beruhigung der Situation bei. Monsieur Gaston nahm den Mini auf den Arm, als wir uns ihm näherten. Bragi fing schon mal aus sicherer Entfernung an zu stänkern und zeigte sein bestes „böses- Schäferhund“ Gesicht. Lisa, Gastons Pinscherdame beobachtet das Geschehen aus sicherer Entfernung und schaut mitleidsvoll oft Frage herab. Monsieur Gaston ist froh, als wir an ihm vorbei sind. Wir wünschen uns lachend einen schönen Tag. Dann geht es links auf die Rue des Primeveres, die es auch nur zur Hälfte gibt, und dann Richtung unseres Wasserturms. 


Unterwegs sehe ich Rudolphe, den Rockernachbarn bei Monsieur Schmidt am Haus stehen. Die beiden grüßen herüber- selbst jetzt bleibt Rudolphe bei seinem Rockergruß und ich bei dessen Erwiderung. Ich geh auf ein Wort zu Ihnen und Rudolphe erzählt, dass sein Fernseher gestern kaputt gegangen war und er nun ein Ersatzteil brauche. Und das von Monsieur Schmidt? Mir war nicht ganz klar… doch dann öffnete Monsieur Schmidt eine seiner Garagen. Alles voller Fernseher- alles voller alter Röhrenfernseher. Ich war fasziniert- wie in einer Zeitkapsel. Ein geheimes Röhrenfernseher und Zubehörlager in unserem Quartier. Rudolphe erzählte, dass sein neuer LCD- Fernseher das Zeitliche gesegnet hatte und er aus ner Not heraus- es gibt ja im Moment keine Möglichkeit einen neuen zu kaufen- seinen alten Röhrenfernseher wieder aktivieren möchte. Da kenne er sich mit der Technik noch gut aus und außerdem wäre in Röhrenfernseherzeiten auch die Rockmusik besser gewesen. Ich schmunzelte in mich hinein, als ich mit Bragi nach Hause lief. Alles ein bisschen aus der Zeit gefallen- in unserer Zeit des Confinements.


Bleibt gesund da draußen! Grüße vom Blauberg!

Tag 46 der Ausgangssperre

Wir konnten gestern tatsächlich klären, warum unser Berg Blauberg heißt. Hier gibt es eine besondere, blau gefärbte Lehmschicht, die unserem Berg den Namen gab. Ich danke Evelyn für die nette Hilfe. Ich finde solche Zusammenhänge wahnsinnig interessant. Auf dem Foto mit der Erläuterung, die mir Evelyn schickte, befanden sich noch die alten Straßenbezeichnungen, die alten deutschen. Ein komisches Gefühl von Ringstraßen und Wegen zu lesen, die wir heute als Impasse oder Rue de Blauberg kennen.

Landkarten haben mich gestern sehr beschäftigt. Die französische Regierung hat beschlossen das ganze Land, jedes Departement nach dem Ampelsystem in verschiedene, unterschiedlich stark von Covid 19 betroffene Gebiete einzuteilen. Ein Blick auf die Karte verrät, dass die westfranzösischen Gebiete fast vollständig grün- also sicher eingeteilt wurden. Der wilde, große Osten war demgegenüber fast komplett in rot gefärbt. Schlechte Voraussetzung für die Einschulung der Kinder, schlechte Voraussetzung für das „Deconfinement“. Es sieht so aus, als würden die Ostgebiete dem Westen des Landes im Schneckentempo in Sachen Entconfinementierung folgen. Ganz langsam, Schritt für Schritt.Die Hoffnung stirbt zuletzt, denn die Regierung will jeden Tag die Zahlen auf der Karte neu beurteilen- man fragt sich, wie Eltern das machen werden. Wahrscheinlich muss jeden Morgen zuerst mal auf die Karte geschaut werden, in welchem Status sich das eigene Departement befindet- dann wird entschieden, ob es an dem entsprechenden Morgen in die Schule geht oder nicht. Die Ile de France- also die Region rund um Paris- ist genauso tiefrot wie wir- die Menschen hängen in der Luft und wissen im Moment nicht, wie sie die Füße und ihr Leben wieder auf den Boden bekommen. Es ist ohne Frage wichtig, die Regeln usw bis zum Ende der akuten Phase einzuhalten- mehr und mehr warten die Menschen auf Antworten, die wir wohl erst am 7. Mai bekommen werden. Dann wird das französische Parlament darüber entscheiden, wie es konkret weiter geht- also auch für uns hier. Bleiben wir rot, geht das Confinement weiter- Tag für Tag, bis die Zahlen so zurückgegangen sind, dass wir nicht mehr befürchten müssen, draußen direkt angesteckt zu werden.

Rudolphe, unser Rockernachbar ist jetzt schon ohne Furcht und Tadel. Er ist heute durch den Regen spaziert, mit kurzen Hosen und Badelatschen. Sein Kiss-TShirt klebte genauso an ihm, wie die langen Haare, mit denen er dem StatusQuo-Sänger Francis Rossi bis auf die letzte Strähne gleicht. Er schaute kurz zu mir herüber, als ich mit Bragi vor der Tür war. Er ist ein wenig unkonventionell und seit er Sascha mal mit einem ACDC Tour-T-Shirt gesehen hat, grüßt er uns mit dem Rockergruß- so auch heute. Ich muss lachen und grüße ihn so zurück. Vielleicht müssen wir die Situation so sehen wie Rudolphe, wir müssen es so nehmen, wie es kommt- wie das Wetter, das wir nicht beeinflussen können. Tanzen im Regen muss unser Motto sein bis alles vorbei ist.

Bis dahin bleibt gesund und Restez en bonne santé!