Rollende Vögel und der Hasengott

Als wir vor vielen Jahren auf den Blauberg gezogen sind, hat uns unser Haus gleich verzaubert. Welches Zimmer das Meine werden sollte, war sofort klar. Die Gaube nach vorne heraus, direkt unterm Dach mit Blick auf unsere kleine Straße hatte es mir sofort angetan. Saschas Plattenzimmer grenzt an unser Wohnzimmer und ich arbeite direkt darüber mit Blick auf alles, was sich in der Rue der Camelias so tut. Mittlerweile steht in meiner Gaube ein grünes Sofa, das mein Arbeitszimmer zu meinem Schul-Zoom-Zimmer oder Facetime- Kontakt-nach- außen- Zimmer werden ließ. Gemütlich lässt es sich hier sitzen, lesen, schreiben und telefonieren. So war es auch letzte Woche, während des großen Regens.

Mein Fenster stand offen, ich saß auf dem Sofa und zoomte gerade mit einer meiner Cousinen, als von draußen Julie nach mir rief. Ich hatte sie früh morgens schon schreien gehört, aber ich dachte, Loic oder Theo hätten Unfug getrieben und maß ihrer lauten Stimme keine große Bedeutung zu. Ich musste sogar schmunzeln, weil die beiden Jungs zu richtigen Lausbuben im besten Sinn herangewachsen sind. „Nadine! Nadiiiiiiiine!“ Ihre Stimme klang jetzt anders und ich wunderte mich, dass sie bei strömendem Regen draußen war. Ich streckte meinen Kopf durch mein Gaubenfenster und sah Julie die Kapuze über den Kopf gezogen, in Gummistiefeln, völlig durchnässt in strömendem Regen vor dem Haus stehen. „Hast du unsere Hasen gesehen? Wir suchen sie schon den ganzen Morgen! Du hörst mich bestimmt schon die ganze Zeit rufen!“ Darum hatte sie also herumgeschrieen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. „Warum hast du mir das nicht schon früher gesagt? Wir hätten dir suchen helfen können!“ „Ich hab überall gesucht und der kleine, der ängstliche Schoko ist nicht zu finden! Es ist wie letztes Jahr! Weißt du noch während des Confinements? Nur dieses Mal hat Loic das Hasengatter aufstehen lassen! Lapidou, der große Hase ist wieder da, aber Schokooooooooo ist unauffindbar!“ „Ich komme sofort runter! Sascha ist zuhause und kann auch suchen helfen. Vielleicht sitzt er bei uns hinter dem Haus!“ „Ja, das wäre super! Aber ihr müsst euch zuerst noch um euren Vogel kümmern!“ Unseren Vogel? Schoss es mir durch den Kopf. „Wir haben keinen Vogel, Julie!“ „Doch, auf eurer Treppe sitzt ein kleiner Vogel!“ Als hätte ich es geahnt, zwei Tage vorher hatte ich mich mit Sascha noch unterhalten, was wir machen würden, wenn einer der kleinen Mauersegler, die unter unserem Hausdach nisten aus dem Nest fallen würde. Das Gespräch mit meiner Cousine musste ich jäh abbrechen und rannte die Treppe hinunter, um den kleinen Nestling vor den Fängen der Nachbarskatzen zu retten. Als Sascha und ich dann auf unserer Treppe standen, da saß da völlig durchnässt und hilflos wirklich ein kleiner Mauersegler. Ihr müsst wissen, ich hab Angst vor kleinen Tieren und so war Sascha sein Retter in größter Not. Schnell eine alte Kiste und ein Handtuch- Sascha setzte den Kleinen behutsam in die Notbehausung und nahm ihn mit herein, während Julie und die Kinder weiter den verlorenen Hasen suchten. Was tun? Da war guter Rat teuer. Auf Facebook in einer entsprechenden Gruppe um Hilfe gefragt und direkt erhalten. Es war zu spät den Kleinen noch in die Wildvogelauffangstation zu bringen, aber am nächsten Morgen um Acht stand die Kiste mit dem kleinen Mauersegler, in der er sich es schon ganz gemütlich gemacht hatte, auf dem Tisch der Wildvogelauffangstation in Püttlingen. Eine deutsch- französische Rettungsaktion war gelungen, der Mauersegler wieder in Sicherheit. Mission geglückt.

Zurück in unserer Straße, war ich verwundert, was am Place des Fleurs geparkt war: eine ganze Reihe Elektroroller war anscheinend in der Stadt verteilt aufgestellt worden. Auf ihnen steht der Name der Verleihfirma „Bird“, zu deutsch Vogel. Ich musste schmunzeln und an den kleinen Mauersegler denken. Noch mehr musste ich allerdings schmunzeln, als ich mir vorstellte, wie Sascha und ich sicherlich in nächster Zeit die rollenden Vögel ausprobieren und uns zur Lachnummer der Straße machen würden. Wieder die zwei verrückten Deutschen, da vorne. Ich stieg aus meinem Auto und kaum hatte ich die Tür zugeschlagen, kam Theo auf mich zu. „Nadine, Nadine!“ Ich dachte gerade schon darüber nach, wie ich ihn über den Hasenverlust trösten könnte, da schoss es schon aus ihm heraus: „Er ist wieder da! Schoko ist wieder da! Ich hatte solche Angst, dass er nicht mehr kommt und konnte nicht schlafen. Da bin ich zu Loic hinüber in sein Zimmer geschlüpft und wir haben beide zum Hasengott gebetet, dass er Schoko zurückbringt. Jetzt ist er wieder da!“ Das Kinderlachen schallte über den Berg und auch ich war dankbar, dass der Hasengott einsichtig gewesen war. Abends sah ich zu Julie, Eric und den Kindern hinüber, als Loic gerade die Hasen fütterte. Er prüfte gefühlte 100mal, ob das Gatter wirklich geschlossen war und ging dann zufrieden zum Abendbrot. 

Ich sitze jetzt wieder in meiner Gaube und wähle die Nummer meiner Kusine. Sie lacht ins Telefon, als ich ihr die tierische Geschichte vom MauerseglerNestling und Schoko erzähle. „Siehst du,“ sagt sie, „das ist wirkliche deutsch-französische Zusammenarbeit!“ Draußen höre ich die Jungs toben und die Mauersegler pfeifen- wieder alles im Lot auf dem Blauberg. Bleibt gesund da draußen und denkt dran, der Piks tut nicht weh!

Der MatheGrieche

Der MatheGrieche

Die Zeiten sind sonnig- zumindest draußen. Wir befinden uns etwa eine Woche vor dem geplanten Ende des Confinements und sind gespannt, ob sich auch das Couvre-Feu auflöst. Nach langen Monaten ohne abendlichen Ausgang, sei es nur einfach so zur Lichtmalerei oder anderen Freizeitaktivitäten, hörten wir gestern gespannt die Pressekonferenz unseres Premierministers Castex und wussten nicht, ob wir uns ob der angekündigten Öffnungsschritte wirklich freuen sollten. Es ist schon sehr verwunderlich, dass Frankreich einen so „ganz“ anderen Weg einschlägt- aber wie so oft- so nah beide Länder in anderen Dingen auch beieinander stehen, bewahrheitet sich mal wieder der Grundsatz: andere Länder- andere Sitten.
Im Moment befinde ich mich zwar in den französischen verordneten Ferien, aber meine deutschen Nachhilfeschützlinge wollen weiter gefordert und gefördert werden. Abiturvorbereitung reiht sich hinter RealschulabschlussPrüfungen, Studienarbeiten und täglichen Nachhilfe-ZoomKonferenzen ein- da Französisch, Englisch, Deutsch und da Mathe. So auch gestern. Da hatte ein junger Mann eine ganz eigene Theorie zum Thema andere Länder andere Sitten. Als ich mit ihm zusammen die griechischen Winkelbezeichnungen lernte und er erfuhr, dass die von den alten Griechen stammen, ging er kurz in sich, schaute mich ernst an und sagte: „ Nadine, ich war bestimmt auch mal ein Grieche. Also so einer von früher.“ Ich konnte das nicht ganz einordnen und fragte natürlich nach. „Wie kommst du denn darauf?“ „Also, in Religion haben wir über die verschiedenen Weltreligionen und über die Wiedergeburt gesprochen. Also ich war definitiv mal ein Grieche! Ich bin nämlich ein Gyrosfanatiker!!“ Ich hatte LachTränen in den Augen und konnte kaum weitermachen. Wir beide mussten so lachen und es tat so gut- gerade in diesen Zeiten. Mit diesem Lachen im Gesicht bewältigte er hinterher alle restlichen Aufgaben. Und ich? Mich ließ er nach der tollen Mathestunde zurück mit einem Lächeln und dem Bewusstsein, dass es auf beiden Seiten der Grenze mit Humor zurück in die vor-Covid-Normalität gehen wird.
Der Blauberg und damit auch ich in meinem Lehrer-Elfenbeinturm, wartet also genau wie ihr auf das Ende von Covid. Geimpft sind schon einige Bewohner, die anderen werden regelmäßig getestet und wir halten Abstand- soweit alles Corona-Normalität. Passt auf euch auf und haltet die Regeln ein, dann habt ihr da drüben die Notbremse bestimmt bald nicht mehr nötig.

Bleibt Gesund!

Jour +6 des Confinements

Babylonisch auf dem Blauberg

Das Confinement hat seine nächste Phase erreicht. Noch am Wochenende habe ich über die  rebellierenden Bürgermeister geschrieben- jetzt hat Castex reagiert und hat den großen Einkaufszentren verboten Waren, die nicht in den Bereich des täglichen Bedarfs fallen zu verkaufen. Spielzeugregale findet man seitdem abgehängt und Bücherregale kauern unter großen Planen bei Coa und wie sie sonst noch alle heißen. Anstatt also die kleinen Geschäfte wieder öffnen zu lassen, ist nun jeder Vor-ort-Verkauf nicht notwendiger Güter eingestellt. Man mag über die Sinnhaftig- oder Sinnlosigkeit streiten- in die Arme der Versandgiganten treibt es die Kundschaft allemal. Dem entgegen steht die Initiative „Click-et-Collect“ der Sarregueminner Einzelhändler. Ganz einfach auf den FacebookSeiten oder den Homepages der Geschäfte unkompliziert Bestellungen aufgeben und so trudeln auch die nicht so ganz notwendigen Dinge ins Haus. 

So wie sich die Einkaufswege online kreuzen, so kreuzen sich auf dem Blauberg hier bei uns immer wieder die sprachlichen Wege in Realität. Natürlich immer in gebührendem Abstand- aus dem Fenster heraus, bei der Hunderunde über die Straße hinüber, per WhatsApp von Haus zu Haus oder Telefon – ja, das soll es auch noch geben- den guten alten Anruf. Melody brauchte Hilfe beim Zahnarztbesuch. Sie sollte eine Weisheitszahnbehandlung bekommen. „Hi Love! Hast du morgen früh Zeit? Ich brauche jemanden, der mich zum Zahnarzt bringt!“ Zu ihren unsäglichen Zahnschmerzen kam die Angst von einem Gendarm kontrolliert zu werden und dann nicht die richtigen Worte zu finden. An die Attestation haben wir uns schon wieder gewöhnt und fast alle hier oben nutzen die Handy-Version- sehr praktisch und spart Zeit und Papier. Die neue Version speichert die Formulareingabe für’s nächste Mal ab und so müssen wir beim nächsten Ausgang nur noch die Uhrzeit eingeben. Die Bescheinigung wird dann kreiert und es kann losgehen, auf unseren Kilometer, für eine Stunde oder zum Einkauf oder wenn man jemanden zu einem Arztbesuch begleiten muss. Ganz wie ich heute. Den Abschluss fand unsere Arztfahrt in Erics Apotheke- und dort fand sich doch tatsächlich ein junges Mädchen, etwas schüchtern, aber auf Zack, das mit Melodie Englisch sprechen konnte. Es kann sehr interessant werden, wenn eine Engländerin mit einer deutschen in eine französische Apotheke geht und dort – für französische Verhältnisse- unverhofft auf eine junge französische PTA trifft, die englisch besser als deutsch spricht. Letztendlich war es für Mel eine Erleichterung und als wir wieder im Auto saßen, schaute sie mich ganz erstaunt an und sagte: „Hast du das gehört? Ich geb dich Hoffnung nicht auf, dass Englisch mal zur Standard-Zweitsprache hier wird!“ Klar hab ich mich für die gefreut, aber ein bisschen nachdenklich hat mich das dann schon gemacht. Immerhin ist das Deutsch hier in der Region von bei weitem größerer Bedeutung. 

Das hab ich im Übrigen gemerkt, als ich wieder zuhause war. Kaum hatte ich die Tür aufgesperrt und auf mein Handy gesehen, da hatte mir die liebe Bernadette eine Nachricht von größter Dringlichkeit, Urgence geschrieben. Kein medizinischer Notfall, sondern ein besonders dringender Fall von Sprachenwirrwarr und NachbarschaftsÜbersetzungsnotwendigkeit. Da war es wieder, das Gefühl, dass hier in unserem kleinen Universum jeder seinen Platz hat und die gegenseitige Hilfe großgeschrieben wird. Und wenn wir Melodys Idee des „Cookie-Exchange“ umsetzen, dann kann uns nix mehr passieren. Schokoladencookies sind gut für die Nerven, und die brauchen wir alle hier oben, dort unten und bei euch da drüben. Bleibt gesund!

Gestern habe ich von CoronaInfektionen in meiner alten Heimat erfahren- auf diesem Weg schicke ich natürlich die besten Wünsche über die Grenze! Passt auf euch auf! 

J-0 Le ReConfinement/ Die Ausgangssperre

Nun ist er da, der Jour 0 – seit 0 Uhr sind wir wieder confinemiert, oder wie eine liebe Freundin gesagt hat: eingeigelt. Bragi hat mich heute Morgen auf der allmorgendlichen Runde schon ganz komisch angeschaut, als ich an einer Stelle, an der wir normalerweise weiter geradeaus gehen, wieder umgekehrt bin. Egal, ob der Regen herunterprasselt, zwanzig Minuten Parc Municipal habe ich mir gegönnt. Das ist ein großer Unterschied zum ersten Confinement vom Frühjahr- die Parks sind offen und die Wälder dürfen betreten werden, sofern du einen Parc oder den Wald in deinem Radius von einem Kilometer um dein Haus hast. Wir sind hier oben mit dem wunderschönen saargemünder Stadtpark, dem Parc Municipal- gesegnet. Er gehört in „normalen“ Zeiten schon zu unseren Lieblingsplätzen in der Stadt- jetzt freue ich mich, dass ich zumindest 20 Minuten dort am Tag verbringen kann. Es hat fast was von Eishockey- also von der Zeiteinteilung in Drittel- 20 Minuten hinlaufen- 20 Minuten flanieren zwischen Esel, Schafen, Pfau und Lama- und dann schnell wieder den Berg hoch -20 Minuten bis zur Spitze des Blaubergs. Und dann hoffen, dass die Police dich nicht erwischt, wenn du deine Zeit draußen um 5 Minuten überziehst, weil du nicht schnell genug den Berg hochkommst- das kostet dann mal gleich 135€. So ist das im Confinement. Ich hab es geschafft heute Morgen, alles hat gepasst. Nach 58 Minuten war ich wieder zuhause und wie wenn sie es gewusst hätten, fuhr der Wagen der Police Nationale just in dem Moment an mir vorbei, als ich meine Zauntür hinter mir schloss.  Sie nickten herüber und lächelten. Beide Polizisten lächelten. Mir wurde klar, dass es kein Gegeneinander von Polizei und Bürger gibt. Die Polizei hilft uns, uns zu schützen vor Corona und Covid- auch durch die Strafen für diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, die sie vorsätzlich brechen. 1500€ ist viel Geld für dreimal keine Maske anziehen und dabei erwischt werden. 

Sie werden noch lange kontrollieren, Patrouille fahren und Strafzettel verteilen. Der französische Staat zeigt Präsenz. Das ist angesichts eines unsichtbaren Gegners wie dem CoronaVirus irgendwie beruhigend. Premierminister Castex und unser „Minister für Gesundheit und Solidarität“ haben die Maßnahmen gestern Abend eingehend erläutert- jedem sollte klar sein, was die Stunde geschlagen hat. Für uns Deutsche wirkt die Härte der französischen staatlichen Maßnahmen zuerst irritierend. Aber seit dem Confinement im März und den Zahlen der letzten Wochen, versteht man die Maßnehmen, die jetzt ergriffen werden als aktiven Beweis der Verantwortung des französischen Staates für seine Bürger- auch für uns. Das tut gut.

Bilder des Parc municipal, findet ihr unter meinen Ausflugstipps auf www.zaungeschichten.com für die Zeit nach Corona:-) Bleibt gesund! 

Zaungeschichten.com im TV

Liebe Leser meiner Blogs, die Zaungeschichten sind wieder da. Der saarländische Rundfunk ist auf meinen Blog aufmerksam geworden und hat für seine Zuschauer und euch, meine lieben Leser, einen Bericht über die realen Zaungeschichten gedreht. Zu sehen am Montag, 18.50 Uhr im dritten Programm des Saarländischen Rundfunks. Ich werde am Montagabend den Bericht hier und auf www.zaungeschichten.com verlinken und dann seht ihr unsere Straße, meinen lieben Nachbarn und natürlich Sascha und mich. Viel Spaß dabei! Die Pfälzer unter euch und diejenigen, die ganz woanders zuhause sind, können den Bericht natürlich in der Mediathek des Saarländischen Rundfunks anschauen.  

Hier kommt schonmal die Ankündigung des Saarländischen Rundfunks auf „Wir im Saarland- Grenzenlos“

https://www.sr.de/sr/fernsehen/sendungen_a_-_z/uebersicht/wims_grenzenlos/index.html

Woche 4 der Dekonfinementierung

Nun sind wir seit Dienstag weitgehend bewegungsfrei- zumindest in Frankreich.Dass die jungen Leute nach der langen Zeit des Confinement die erlösende Freiheit vermissen, hat sich am Samstagabend schon angedeutet. Die erste Party unter freiem Himmel wurde gefeiert bis um 5:00 Uhr morgens. Ich lag im Bett und erinnerte mich an meine eigenen wilden Zeiten. Mann, ich werde alt.Wir haben am Pfingstwochenende Ausflüge in die nähere Umgebung unternommen, und uns langsam wieder daran gewöhnt, dass wir keine ausgangsbeschränkende Vogelflugzone mehr haben würden. Die 100 km Luftlinie, war bei uns sehr gut ein zu halten. Sie reichte bis nach Straßburg, sie führte uns -wie einige andere- ins Bitcherland und das angrenzende Elsass. Eine interessante Entdeckung haben wir in einem kleinen Kaff (entschuldigt bitte die Ausdrucksweise) namens Jägerthal gemacht. Oberhalb dieses MiniDorfs liegt die imposante Festung Windstein, eingangs Jägertals fanden wir die in Ruinen liegende Gründungsstätte der Firma DeDietrich. Durch diese Ruinen zu gehen, die symbolisch für die Eisenverhüttung stehen und die Geburtsstätte eines Weltkonzerns sind, war etwas ganz besonderes.

Nachdem wir den Heimweg über Reichshoffen und Bitch gemeistert hatten, musste ich natürlich zu Hause angekommen noch mal über diese Schmiede lesen. Es hat mich sehr überrascht, als ich im Internet eine Quelle fand, die die Schmiede dieser Weltfirma mit dem für mich größten deutschen Dichter überhaupt in Verbindung brachte. Goethe war dort und es wird vermutet, dass eine Szene des Faust auf genau diesen Besuch Goethes zurückgeht. Das war schon ein cooles Gefühl. Das Elsass hat überhaupt sehr viel zu bieten und man vergisst regelrecht, dass das Gute so nah liegt. Für unsere Lichtmalerei können wir uns fast keine schönere Umgebung denken. Der Alsace ist dünn besiedelt und von einem so dichten Wald bewachsen, dort mangelt es nicht an Dunkelheit in der Nacht.

Es herrschte eine seltsame Stimmung als wir so durch die Gegend fuhren, keine deutschen Autos auf der Straße, keine deutschen Urlauber am Hanauer Weiher und keine deutschen Touristen auf den Terrassen der Cafés. Sie waren alle noch geschlossen und vor dem ein oder anderen standen Leute, die insgeheim wohl gehofft hatten, dass sie geöffnete Restaurants vorfinden würden- der die vor der Tür geduldig warteten bis sie ihre bestellten Essen abholen konnten. Fast jedes Restaurant bietet einen Abholservice an- eine Entwicklung, die im Confinement ihren Anfang fand. Etwas verwirrend wird das alles als DRIVE bezeichnet, aber das ist egal und eine Kuriosität der „Einfranzösiserung“ von englischen Begriffen. Fakt ist, es half den Gastronomen zu überleben. Seit Dienstag hat die Gastronomie wieder geöffnet und die Franzosen, wie auch wir, freuen uns sehr darüber, dass es wieder einen Schritt voran geht.

Uns ist bewusst: So werden wir diese Gegend hier nie wieder erleben, so still, so schön. Deswegen haben wir die Woche intensiv genutzt. Nicht nur ins Elsass zog es uns, wir waren auch unterwegs ins Lothringer Seenland. Vorbei am Mittersheimer Weiher (leider noch wegen Renovierungsarbeiten an der Strandpromenade gesperrt) über Rhodes am Stockweiher bis hin zum Etang de Lindre, dem wunderbaren Naturschutzgebiet, das mit besonderen Attraktionen auf uns wartete. Störche in vollbelegten Nestern, es war so wunderbar. Schwalben, wohin das Auge reichte. Die Natur zeigte sich in ihrer ganzen Pracht. Sogar ein Kranich war zu sehen.

Der Saar- Kohle- Kanal- Radweg ist jedem von euch zu empfehlen- ganz flach, vorbei an Feldern und Dörfern ist er auch ohne E-Bike gut zu fahren und ist eines der Highlights der Region. Wir haben so viel fotografiert, uns Sonnenbrand eingefangen und das schöne Wetter in vollen Zügen genossen. Auf Zaungeschichten wird es ab Montag eine neue „Seite“ geben, die sich mit Ausflugstipps 100km rund um Sarreguemines befasst- da seht ihr dann auch unsere Fotos.Gute Neuigkeiten gibt es von Melody- ihre Tochter hat endlich einen Flug nach Frankreich bekommen und trifft am 15. Juni auf dem Blauberg ein. Monsieur Jean, der Klavierspieler von gegenüber hat Dienstagabend ganz inbrünstig die Ode an die Freude von Beethoven gespielt- wie wenn er die wiedererlangte Freiheit begrüßen wollte.

Nicht nur für die Menschen scheint das Confinement vorüber. Wir haben einen neuen Mitbewohner- einen kleinen Igel, der uns jeden Abend zur gleichen Zeit besucht und sich sein Rührei schmecken lässt. Da bei mir jedes Tier ganz schnell einen Namen hat- Spinne Victor, Ella die Maus usw, brauchte der Igel natürlich auch einen Namen: angelehnt an den britischen Skispringer, der uns in den 80ern unterhielt, heißt der Igel jetzt Eddie- natürlich „de Igel“.

Sarreguemines hat seit letztem Wochenende einen neuen Bürgermeister. Bewegend war der Abschied des alten, der so viel für die Stadt getan hat. Mehr durch Zufall als gewollt, bin ich auf die Liveübertragung der Ratssitzung bei Facebook gestoßen und war geschockt, das so viele Persönlichkeiten des öffentlichen saargeminner Lebens betrauert wurden, die Covid 19 nicht überlebt haben. Unsere gute Louise ist eine der ganz wenigen, die es geschafft haben. Sie wird helfen, die Stadt noch ein Stück schöner zu machen.

Ich hoffe ihr hattet auch eine schöne Woche und wünsche euch ein schönes Wochenende.

Tag 44 der Ausgangssperre

🇨🇵 🇩🇪 Bei schönem Wetter fällt es mir besonders schwer bei der täglichen Hunderunde den 1 km Radius um unser Zuhause einzuhalten, darum ist nicht nur die Natur froh um den Regen da draußen. In unserem 1 KilometerBewegungsradius liegt, zwischen der Rue des Myosotis und der Rue de la Montagne das alte Hospital von Sarreguemines. Es thront über der Stadt mit all den Türmchen und Verzierungen wie ein verwunschenes Schloss, das längst in einen DornröschenSchlaf gefallen ist. Eines der schönsten Gebäude von Saargemünd.
Als wir hierher zogen, war es gerade „außer Betrieb“ gesetzt worden. Überall standen Kartons mit medizinischem Gerät, riesige Umzugswagen wurden gepackt, um die medizinische Ausrüstung zum neuen Krankenhaus Robert Pax zu bringen. Nach fast 140 Jahren hatte das alte Gebäude seinen Dienst erfüllt. Zunächst wurde es still um den beeindruckenden Jugendstilbau. Doch dann fassten die Eigentümer den Entschluss, das alte Krankenhaus weiter zu nutzen- zuerst fand eine Schulkantine ihren Platz darin, dann ein Service der Stadtverwaltung, der Hubschrauberlandeplatz wurde in Baugrundstücke umfunktioniert bis dann die Entscheidung fiel Wohneinheiten zu schaffen. Ich frage mich immer, wenn ich mit dem Hund dort vorbeigehe, wie es sich darin leben lässt. Hinter diesen dicken Mauern hat sich viel Leben ereignet, sind aber auch viele dramatische Sachen passiert- 1918 grassierte hier in Saargemünd die letzte Pandemie- die spanische Grippe. Der deutsche Schriftsteller Alfred Döblin war zu der Zeit hier Militärarzt. Das Krankenhaus war damals im Zentrum des Geschehens. Ich weiß nicht, ob ich darin Leben könnte- wahrscheinlich würde ich jede Nacht wach liegen.
Vor ein paar Jahren wollten wir mal „anders“ Silvester feiern. Wir waren wie so viele andere Saargeminner in der Neujahrsnacht zur alten Schlossruine über der Stadt gefahren, weil man von dort einen schönen Ausblick über Saargemünd hat. Kamera und Sekt in der Tasche, hatten wir frühzeitig einen guten Platz ergattert- vorne an der Mauer- schön deutsch- schon um 23.30 Uhr. Doch während wir warteten, zog der Nebel im Saartal herauf und nix war mehr mit unserer schönen Aussicht auf die Stadt mit dem tollen Feuerwerk. Wir warteten und warteten, doch die Sicht wurde immer schlechter, der Nebel immer dichter. Um 23.55 Uhr saßen wir wieder im Auto und wollten schnell nachhause, um dort gemeinsam auf das neue Jahr anzustoßen. Ich fuhr wie ein Henker, um rechtzeitig zuhause zu sein, aber dann kamen die 0 Uhr Nachrichten im Radio. Ich stoppte, wir wünschten uns noch im Auto ein frohes neues Jahr- da klopfte es an unser Autofenster. Ich habe mich noch nie so erschrocken. Da standen Julie und Erik, die Beiden wollten nur schnell von einer Party in der Stadt nachhause- sie hatten ihre Feuerwerkskörper zu hause vergessen. Sie hatten sich dabei aber -genauso wie wir- in der Zeit verschätzt und waren nun wie wir am alten, verlassenen Hospital gestrandet. Wir stiegen aus, wünschten uns ein „Bonne Année!“, ließen den Wagen stehen und schlenderten gemeinsam nachhause. Unterwegs trafen wir fast alle unsere Nachbarn auf der Straße, wir stießen zusammen an, verteilten unzählige Bises, die besonderen französischen Umarmungsküsse, und hatten eine der schönsten SilvesterStraßenParties meines Lebens.

Das Auto wollte ich am Neujahrstag abholen. Da stand gerade die Police bei meinem kleinen Flitzer vor dem alten Hospital und ich sah, dass ich im Halteverbot geparkt hatte. Mist, ein PV von 25€. Ich sprach die Polizisten an, wünschte ein Bonne annee und erklärte die Situation. Sie lachten und einer von ihnen nahm den PV von meiner Windschutzscheibe. Er meinte, das wären dann ja besondere Umstände gewesen und daher zu entschuldigen. Er lächelt bis heute, wenn er mich aus dem PoliceAuto heraus sieht- wie gestern wieder, mit Klara und Bragi- am alten Hospital.


Also passt gut auf wo ihr parkt 🙂 Bleibt gesund!

Tag 42 der Ausgangssperre

Und dann kommt diese Nachricht. Die Nachricht auf die wir jetzt schon einige Wochen warten. Eine Nachricht, über die wir uns sehr freuen. Unsere Nachbarin Louise ist auf dem Weg der Besserung. Zwischen all diesem CoronaWahnsinn, dem harten Confinement, der strengen Ausgangssperre -ein Lichtblick- und die Sicherheit, dass all diese Entbehrungen Sinn machen. Nach fast 4 Wochen künstlichen Koma am Beatmungsgerät , langsamem Aufwachen, kommt Luise nun endlich auf eine normale Station. Die lange Zeit mit COVID-19 wird sie ein Leben lang begleiten. Sie wird alles neu lernen müssen, sogar das Laufen. Stück für Stück wird sie zurückkommen ins Leben, zurückkommen in unsere Straße.

Als wir vorige Woche ein Auto der Stadtverwaltung in ihrer Einfahrt gesehen haben, fürchteten wir das Schlimmste. Wir wissen, dass nach dem Tod eines COVID-19 Patienten die Wohnungen desinfiziert und alle Sachen verbrannt werden. Wir bangten um Louise, ihr Bruder hatte wenig Hoffnung. Doch jetzt die Wende- es wird ein harter Weg zurück, aber sie ist zäh.

Als wir hierher gezogen sind, lebte Louises Mutter noch. Die alte Frau winkte mir oft aus dem Obergeschoss darüber, wenn ich an meinem Schreibtisch saß und arbeitete. Manchmal spät abends, wenn nur noch meine Schreibtischlampe bei uns brannte. Was ich erst spät erfahren habe, war die Tatsache, dass ich eine Leidenschaft mit dieser alten Frau teilte.. Sie liebte ihre Sprache, sie liebt ihr „Francique“. Sie war die erste, die ein Wörterbuch Französisch- Francique verfasste. Leider habe ich das zu spät erfahren- da war sie schon nicht mehr unter uns. Wir hätten uns sicher viel zu erzählen gehabt. Dieses Francique kann manchmal sehr lustig klingen, und in ihm werden auch manche Begriffe, die wir Deutsche kaum verwenden zu skurrilen Alltagsausdrücken geformt.

Er wohnt zwar nicht in unserer Straße, er wohnt auch nicht in unserem Quartier, aber trotzdem sehen wir ihn so oft an unserem Haus vorbeispazieren. Der skurrile CollieMann. Wir wissen nicht wie er heißt, wir kennen seinen silbernen Wagen, der behängt ist mit Wimpeln, beklebt mit CollieAufklebern.Es traf sich, dass wir gestern mit unseren Fellnasen vor der Haustür waren und der etwas verrückte CollieMann mitsamt Hunden vorbeischlenderte. Er blieb kurz stehen, erzählte zum hundertsten Mal, wo er den Rüden her hat . „Aus Deutschland!“, sagt er wieder ganz stolz. Er spricht oft sehr wirres Zeug. Ich verstehe nicht immer was er sagt, aber gestern musste ich mich schnell ins Haus flüchten, weil ich das Unheil nahen sah. Sascha hat den Ernst der Lage nicht ganz erfasst und blieb beim CollieMann stehen. Der nun, nahm die Schnauze seines Hundes in die Hand, zog den Armen nach oben über unseren Zaun und hielt so den ganzen Hund hoch. Der arme Collie wusste gar nicht wie ihm geschah und der CollieMann sagte zu Sascha: „Hot er ned kee scheenie Frotz? E scheenie eine Frotze hot er, odder?“ Sascha blieb wie angewurzelt stehen, die volle Wucht des Ausdrucks hatte ihn getroffen. Wahrscheinlich hoffte er, die Zeit müsse stehen bleiben, während er versuchte krampfhaft seine aus Lachen und Entsetzen zu unterdrücken. Aber der CollieMann sah ihn ganz ernst ihn an, ganz fragend nach dieser Fratze. Das Wort klang immer noch durch die Stille des Confinements. Sascha quetschte ein „Ja ja!“ heraus. Unser CollieMann war zufrieden und ging seiner Wege. Sascha war erlöst. Ich stand hinter dem Fenster und musste so lachen. Fratze habe ich in diesem Zusammenhang noch nie gehört. Und ich werde es in diesem Zusammenhang wohl auch nie wieder hören außer von Collie Mann. Louises Mutter hätte sich sicher für den Ausdruck interessiert. Er hätte sicher Einzug in ihr WörterBuch gehalten.

Also passt auf euch auf heute am mardi, dem da Nom menda un mache kenn schisse mit de Chose, die affichiert sin! Hallen eich dran.